Wider den ideologischen Lärm

Drei Jahre nach der NSU-Selbstenttarnung: Am Freitag protestieren Antifaschisten in Plänterwald gegen einen Online-Versand. Tags darauf folgt eine antirassistische Demo

Freitag, 31. Oktober Protestkundgebung des Antifaschistischen Bündnisses Süd-Ost Berlin (ABSO): „Nazimusik den Saft abdrehen“ um 17 Uhr, Köpenicker Landstraße/Dammweg. Kommt in Gruppen, denn Sympathisanten des Versandhandels haben nun ebenfalls mobilisiert.

Samstag, 1. November „NSU-Terror: Staat und Nazis Hand in Hand – Rassismus in der Gesellschaft bekämpfen!“ Demo ab 13.30 Uhr, Hanne-Sobeck-Platz, Gesundbrunnen

„Merchant of Death – Business of Blood“ – unter diesem friedensliebenden Namen fungiert in Berlin-Plänterwald ein Online-Versand, der sich auf den Handel mit Merchandise, Fanzines und Tonträgern, insbesondere der Gattung NSBM, „National Socialist Black Metal“, spezialisiert hat. Wie der Name schon impliziert, handelt es sich um Musik mit rechtspopulistischem Hintergrund.

Dieser Versand agiert mitnichten illegal und ist ordentlich beim Amtsgericht Köpenick angemeldet. Als Verantwortlicher zeigt sich Hendrik Möbus, ein altgedienter Kamerad der thüringischen Neonaziszene, der somit unmittelbar im Milieu jener Personen aktiv war, die sich vor drei Jahren als „Nationalsozialistischer Untergrund“ enttarnten.

Unauffälliges Verhalten scheint nicht gerade in Möbus’ Natur zu liegen, ist er doch ein vor dem deutschen Gesetz verurteilter Mörder: Zusammen mit zwei Mittätern tötete er, noch minderjährig, 1993 den 15-jährigen Sandro B. und wurde daraufhin als Haupttäter zu acht Jahren Freiheitsentzug verurteilt.

Zu diesem Zeitpunkt war er Mitglied der Band „Absurd“, die auf Grund ihrer Verstrickung in den Mord an Sandro B. einen hohen Bekanntheitsgrad in rechten Kreisen gewann. Noch im Gefängnis kam es zu weiteren Veröffentlichungen und einer zunehmenden Radikalisierung der Song-Inhalte. Auf Bewährung entlassen, wendete er sich nicht etwa von der rechten Szene ab, sondern tauchte sofort wieder in diese ein und wurde erneut straffällig. Der Strafverfolgung entzog er sich durch Flucht in die Vereinigten Staaten – er kam bei Mitgliedern der National Alliance, einer offen rechtsextremistisch und antisemitisch auftretenden Organisation, unter.

Auf dem Anwesen des Gründers wurde er festgenommen und an Deutschland, wo ein Haftbefehl gegen ihn bestand, ausgeliefert. Nach seiner erneuten Entlassung 2007 zeigte sich Möbus wieder schnell in den entsprechenden Kreisen – die Gründung des Versandhandels „Merchant of Death“ ließ nicht lange auf sich warten.

Möbus beschränkt sich nicht nur auf den Versand von Musik und entsprechenden Devotionalien: Ihm wird nachgesagt, szenetypisch stark vernetzt zu sein und dadurch auch seinen Lebensunterhalt zu verbessern. So tritt er europaweit als Veranstalter von NS-Black-Metal-Konzerten in Erscheinung. In Deutschland wiederum zeigte er sich seit den 1990er Jahren maßgeblich an der Entwicklung dieser Musikgattung und der anhängenden Szene beteiligt.

Gerade in den letzten Wochen kam es wieder verstärkt zu Aktionen mit rechtem Hintergrund. So wurde am vergangen Wochenende unter der Schirmherrschaft von Udo Voigt, seit diesem Jahr ein stolzes Mitglied des Europäischen Parlaments, in Berlin-Köpenick eine verharmlosend als „Bürgerbüro“ bezeichnete Lokalität eröffnet. Im Anschluss genossen die Teilnehmer noch eine historische Stadtführung unter Leitung eines Köpenicker Bezirksverordneten.

Obwohl die Partei in den vergangen Monaten kontinuierlich an Stimmen aus der Bevölkerung verliert, zeigen solche Umtriebe, dass der rechte Rand noch nicht aufgegeben hat.

Die Jährung der NSU-Enttarnung sowie die Eröffnung des NPD-Bürgerbüros in Köpenick sind gute Gründe, zum Protest aufzurufen und sich gegen Menschen solcher Gesinnung zu positionieren.

Eng in neonazistische Strukturen verwickelte Personen wie Hendrik Möbus üben durch ihre Aktivitäten starken Einfluss auf die Szene aus. Durch einfachste Wege wie die eines Online-Versandes wird diese gefestigt – unkontrollierte Verbreitung von Propaganda inklusive.

Um auf diesen Missstand aufmerksam zu machen, ruft das Antifaschistische Bündnis Süd-Ost unter dem Motto „Nazimusik den Saft abdrehen!“ einen Tag vor der Demo „NSU-Terror: Staat und Nazis Hand in Hand – Rassismus in der Gesellschaft bekämpfen!“ zur Kundgebung vor der Zentrale des Online-Versandes auf. Die Veranstaltung blieb auch von der Gegenseite nicht unbemerkt. Die Antifa geht von einer Mobilisierung von Sympthisanten des Versandhandels aus – in unmittelbarer Nähe des antifaschistischen Protests. Deshalb wird zum eigenen Schutz zur Anreise in Gruppen geraten.

Es ist zu wünschen, dass viele Menschen bereit sind, diesem Aufruf nachzukommen und sich aktiv gegen rechtes Kulturgut zu stellen. Denn nichts ist wichtiger, als den demokratiefeindlichen Gegner an der Basis zu schwächen und die Verbreitung von antisemitischer Propaganda zu verhindern. Vielleicht dringt auch etwas zu den Unternehmen DHL und Hermes durch: beide Unternehmen sind als Versandpartner von „Merchant of Death“ im Internet angegeben, inklusive Logo. THOMAS HAUSER