DVDESK
: Sehnsucht nach einer weniger finsteren Welt

„The Rover“ (Australien 2014; Regie: David Michôd)

Lapidar die Einblendung zu Beginn: „Zehn Jahre nach dem Kollaps.“ Welcher Kollaps? Keine Ahnung, dazu erfährt man weiter nicht viel. Was man sieht, sind die Folgen. Männer ziehen als einsame verwahrloste Wölfe durch die sengende Sonne eines australischen Draußen am äußersten Rand jeder Zivilisation. Sie fahren mit staubigen Autos, sie zahlen das Benzin mit staubigen amerikanischen Dollars, denn der australische Dollar ist nur noch ein sinnlos gewordenes Stück Papier. In den gottverlassenen Läden sitzen Männer in Stühlen zu chinesischer Radiomusik, verbreiten sehr schlechte Laune und halten ihren Revolver oder ihr Gewehr in der Hand.

Der Mann mit der schlechtesten Laune von allen heißt Eric (Guy Pearce). Er sitzt an der Bar, will sich nur friedlich betrinken, da schlittert vor dem Fenster rücklings ein Auto vorüber. Die Männer darin sah man vorher sich streiten, es ging darum, dass sie den Bruder des einen halbtot haben auf der Straße liegen gelassen. Weil sie das Auto nicht mehr von der Stelle bekommen, klauen sie das des Manns von der Bar. Keine gute Idee. Es beginnt eine sture Verfolgung auf dem australischen Highway, rasend und schleichend, die Waffen gezückt, äußerste Entschlossenheit im Blick.

Das macht Regisseur David Michôd richtig gut: die Inszenierung des schleichend drohenden Fahrens. In der Subjektiven gleiten die Autos dahin, dazu brummt untertourig der Score: Willkommen in der didgeridoogestützten Postapokalypse. Humorlose Männer in humorlosen Autos auf humorlosen Straßen vor humorlosem Himmel, viel Röhren, sonst aber Schweigen, so weit ist das schön. Stundenlang könnte man da zusehen. Dann aber liest Eric einen jungen Mann namens Rey auf, der sich als der zurückgelassene Bruder des anderen Manns aus dem anderen Auto erweist. Rey hat ein Problem, er humpelt und hat eine schlimme Wunde am Bauch. Rey ist aber auch ein Problem für den Film. Robert Pattinson, der ihn spielt, spricht ein australisches Englisch, dem man ziemlich übel die Fresse poliert hat, und auch die Darstellermanierismen, die ihm durch Hände und Kopf zucken, machen einen ganz wuschig.

Zu allem Unglück gerät der Film mit dem Auftauchen Reys an einen – wenn auch schlichten – Plot und eine – wenn auch rudimentäre – Figurenpsychologie. Die Männer kommen einander näher unter australischem Himmel auf dem Weg zu blutiger Rache. Eric kümmert sich darum, dass Reys Wunde genäht wird, und sitzt im Hinterzimmer der Ärztin, die in einem lichtlosen Raum Hunde in Käfigen stapelt, um sie dort vor dem Gefressenwerden durch Menschen zu schützen. Minutenlang sitzt Eric in diesem Raum, die Hunde hecheln, fast ist Friede, und die schöne Szene wäre noch schöner, verdürbe der Film sie nicht zuletzt noch durch eine motivische Schließung.

Es gibt einen anderen guten Moment. Nach viel Roadmovie mit viel sinnlosem Töten sitzt Rey nach etwa zwei Dritteln des Films einmal im Dunkeln, im wirklich sehr Dunkeln, im Auto. Knalllaut läuft dazu Musik. Aber kein Postrock und Drone, kein Didgeridoo, sondern eher heiterer Pop (Keri Hilsons „Pretty Girl Rock“ mit dem Refrain „Don’t hate me cause I’m beautiful“). Rey singt das mit. Aus Sehnsucht nach einer anderen, weniger finsteren Welt. Oder auch aus Sehnsucht nach einem weniger einsinnig grimmigen Film. Leider erfüllt sich die eine so wenig wie die andere Sehnsucht. Regisseur David Michôd dagegen wird Australien hinter sich lassen: Seinen nächsten Film dreht er in Hollywood mit Brad Pitt.

EKKEHARD KNÖRER

■  Die DVD ist ab rund 13 Euro im Handel erhältlich