Das Leben ist nicht lang

ALTERSWERK Manfred Krug und Uschi Brüning veröffentlichen mit „Auserwählt“ ein neues Album

Dann, ganz am Schluss, könnte man doch noch einen Kloß im Hals bekommen. Dann, wenn Manfred Krug „Ade“ anstimmt, wenn er singt: „Es ist viel zu spät“. Seine Stimme klingt so brüchig, so verletzlich, so hinfällig, als würde er nun bald tatsächlich Abschied nehmen müssen. Der Song ist alt, aus den späten 70ern, aber nun bildet er den allzu passenden Abschluss zu „Auserwählt“, dem neuen Album von Krug, das er mit seiner langjährigen Weggefährtin Uschi Brüning eingesungen hat. Ein Album, das, sehen wir den Umständen ins Auge, sein letztes sein könnte.

Mittlerweile 77 Jahre als ist Krug, er lebt in Charlottenburg, zuletzt spekulierte der Boulevard immer wieder, der einstige „Liebling Kreuzberg“ sei krank. Das Schauspielern hat er 2001 nach seinem Ausstieg als „Tatort“-Kommissar aufgegeben, auch sein bislang letztes Album erschien schon 2003. Abgemagert ist er, aber mit dem Singen will er nicht aufhören. Immer noch ist er unterwegs, spielt den Stargast beim Alstertaler Jazz-Meeting und wird am 1. Januar mit seinem Programm „Manfred Krug liest & s(w)ingt“ im Konzerthaus Berlin auftreten.

Mit dabei ist stets die zehn Jahre jüngere Uschi Brüning, die einst vom „Rockmusiklexikon der DDR“ zur „besten und talentiertesten Sängerin“ des Landes ernannt worden war. 1971 hatte sie debütiert – schon damals an Krugs Seite. Logisch ist sie auch die Partnerin auf dieser Sammlung eines neuen und verschiedener alter Songs von Krug, ergänzt um immer wieder gern gehörte Evergreens wie „All Of Me“ oder „Quando, Quando, Quando“.

Bei diesen Klassikern überlässt Brüning ihrem Duettpartner oft den Löwenanteil des Gesangs. Bei diesen Stücken, die in den letzten Jahrzehnten von etlichen Sängern und Sängerinnen interpretiert wurden, wird im Vergleich zur Konkurrenz deutlich, dass Krugs einst vielleicht nicht perfekte, aber stolze und kraftstrotzende Stimme nur mehr ein Schatten ihrer selbst ist. Bei „Somewehere Over The Rainbow“ zeigt Brüning dann während der zweiten Strophe unfreiwillig auf, wie blutarm Krug die erste gesungen hat.

Nichts für Weicheier

Nein, das Alter ist nichts für Weicheier. Das merkt man fast noch deutlicher den Neuinterpretationen von Krugs alten Hits aus eigener Feder an. Die stammen zum Teil noch aus Krugs großer Zeit als Sänger in den 70ern, als er mit dem Orchesterleiter und Arrangeur Günther Fischer dem deutschsprachigen Swing, Jazz und Chanson eine bis dahin ungeahnte federleichte Selbstverständlichkeit beibrachte, die damals leider nur in der DDR wahrgenommen wurde. Danach folgte er dem ausgebürgerten Wolf Biermann in den Westen und konzentrierte sich aufs Schauspielen.

Die kleine Bandbesetzung um Andreas Bicking, mit der „Auserwählt“ eingespielt wurde, kann natürlich nicht Fischers großes Orchester ersetzen, aber schwingt sich bei „Mach’s gut, ich muss gehn“ oder „Niemand liebt dich so wie ich“ auf zu mittelschwerer Dramatik. Doch Krug und seine Stimme bleiben auf dem Boden, während Brüning versucht, den Bundesverdienstkreuzträger nicht allzu deutlich an die Wand zu singen.

Der Titelsong, getextet von Krug, komponiert von Bicking, ist das einzige neue Lied. Ein gemütlich dahinschlendernder Bossa, dazu Zeilen von Krug, die – wie man das von ihm kennt – das Pathos nicht scheuen, aber auch Augenzwinkern beherrschen und einen ironischen Abstand einzuhalten verstehen. „Das Leben ist nicht lang“, singt Manfred Krug, „wir versäumen unsre Zeit.“ Da kann man schon mal einen Kloß im Hals bekommen.

THOMAS WINKLER

■ Manfred Krug und Uschi Brüning: „Auserwählt“ (Edel)