Die Frau, die in den Dschungel fiel

PERU Juliane Koepcke überlebte einen Flugzeugabsturz, wurde von Jägern im Urwald gesund gepflegt. Heute stellt sie ihr Buch vor

Erst rettete der Urwald ihr das Leben – die Blätter federten den Fall ab –, jetzt will sie ein Stück davon retten

Juliane Koepcke hat als Einzige einen Flugzeugabsturz überlebt. Sie war 17 und nahezu blind: ihre Brille zerbrach bei dem Absturz. Genau wie ihr Schlüsselbein und das Flugzeug. Die Einzelteile liegen bis heute verstreut im peruanischen Dschungel. Juliane tastete sich durch das Dickicht, bis sie an einen Fluss kam. Trotzdem: Als „grüne Hölle“ hat sie den Urwald nie gesehen. Sie ist darin aufgewachsen, sie kannte viele seiner Regeln und folgte deshalb dem Flusslauf. Denn wo Wasser ist, da leben Menschen.

Elf Tage später fanden ein paar Jäger das völlig erschöpfte Mädchen. Sie hielten die weiße blonde Frau für eine Flussgöttin. Dann sahen sie die roten Augen und die Maden in den offenen Wunden und verstanden, dass sie Hilfe brauchte. Niemand hätte so lange nach dem Unglück noch mit einer Überlebenden gerechnet. Es blieb dabei: die Welt glaubte zwar nicht mehr an die Flussgöttin, dafür aber an ein Wunder.

Das war 1971. Die Geschichte wurde zum Hype. In Peru ist Juliane Koepcke ein Star, es gab einen Comic nach dem anderen über sie, à la Tarzan als Frau. Sogar Werner Herzog hat einen Film über sie gemacht. Er trägt den Titel „Wings of Hope“ – nicht zu verwechseln mit der Schmonzette „Flügel der Hoffnung“ von Rosamunde Pilcher. „Miracles Still Happen“ heißt ein anderer Film über Julianes Koepckes Geschichte. Die Gefahr des Aufbauschens ist bei solchen Stoffen groß. Deswegen hat Koepcke entschieden, ihr Leben selbst zu erzählen. Ihr Buch „Als ich vom Himmel fiel“ erschien 2012 auf Deutsch, im September liegt die spanische Übersetzung vor.

Inzwischen heißt Juliane nicht mehr Koepcke, sondern Dr. Diller und ist stellvertretende Direktorin der Zoologischen Staatssammlung München. Längst hat sie selbst Biologie studiert und die Forschungsstation ihrer Eltern übernommen. Erst hat der Urwald ihr das Leben gerettet – die dichten Blätter federten den Fall aus 3.000 Meter Höhe ab –, jetzt will Diller ein Stück Urwald retten.

„Man hat nur vor Dingen Angst, die man nicht kennt, schreibt sie in dem Buch. Und: „Der Mensch hat die Tendenz, alles zu vernichten, wovor er sich fürchtet.“ In der Forschungsstation Panguana will sie etwas dagegen tun. Eine Verbündete hat sie in der Künstlerin Gabriela Hennig. Bevor sie Künstlerin und Wissenschaftlerin wurden, gingen Koepcke und Hennig gemeinsam in Lima zu Schule. Sie tanzten auf dem gleichen Abiball. Einen Tag später, am Heiligabend 1971, stieg Juliane mit ihrer Mutter in besagtes Flugzeug, um zum Vater zu fliegen. Wie alle anderen Insassen überlebte die Mutter den Absturz nicht. Dass sich die Tochter, Insassin Nummer 92, überhaupt noch in ein Flugzeug traut, ist das nächste Wunder. Aber es bleibt ihr nichts anderes übrig: Ihr Schicksal spielt in beiden Ländern

Juliane Koepcke eröffnet heute Abend eine Ausstellung von Gabriela Hennig mit einer Lesung. Die Fotos von Hennig entstanden auf der Forschungsstation Panguana im peruanischen Regenwald. Dazu stellt sie Installationen aus. Beides ist bis Ende September unter dem Titel „Retter des Lebens – Blätter“ in der peruanischen Botschaft zu sehen. CATARINA VON WEDEMEYER

■ Vernissage und Lesung, 18 Uhr in der Botschaft der Republik Peru