Zeichnen ohne Zwang

COMICS In Finnland wird die Comicszene staatlich gefördert. Wie experimentierfreudig sie auch deshalb ist, kann man ab Donnerstag auf dem Comicfestival Hamburg sehen

VON ROBERT MATTHIES

Eine Menge lernen kann man von den Finnen in Sachen Comics. Eigenwilliger als im Land der Mumins-Erfinderin Tove Jansson wird derzeit in keinem europäischen Land mit dem Zeichenstift erzählt. Künstlerinnen und Künstler wie Marko Turunen, Amanda Vähämäki, Matti Hagelberg oder Tommi Musturi experimentieren mit Erzählweisen, probieren sich im Einsatz ungewöhnlicher Stilmittel, hinterfragen auch mal die grundlegende Form des Comics selbst. Von erschütternden Erinnerungen über beeindruckend recherchierte sozialkritische Graphic Novels bis hin zu absurder Alltagskomik und derbem Klamauk: Die finnische Szene überrascht durch ihre unkonventionelle Vielseitigkeit.

Dass die rund 100 aktiven Comic-Künstler Finnlands ihren ganz eigenen, kompromisslosen Stil entwickeln können, hat viel mit dem Fehlen von Zwängen zu tun. Einen kommerziellen Markt, an den man sich anpassen muss, gibt es in dem kleinen Land am nördlichen Rand Europas nicht. Seit rund zehn Jahren aber wird der Comic dort zunehmend als eigenständige Kunstform anerkannt – und staatlich gefördert. 300.000 Euro steckt das finnische Kulturministerium jedes Jahr in die Förderung der überschaubaren, aber umso besser vernetzten Szene.

Veröffentlicht werden die meisten finnischen Comics in kleinen unabhängigen Verlagen, die mit viel Enthusiasmus ihre Lieblingscomics verlegen. Unterstützung bekommen sie vor allem von der Finnish Comics Society und vom Helsinki Comics Center, das Ausstellungen und Workshops veranstaltet, ein Café nebst Bibliothek betreibt und internationale Kooperationen vorantreibt.

Einen Eindruck von der hierzulande bislang wenig bekannten finnischen Experimentierfreude kann man sich nun im Anfang des Jahres erschienenen „Comic Atlas Finnland“ (Reprodukt, 240 S., 34 Euro) machen. Zwölf junge Zeichnerinnen und Zeichner stellt der von Kalle Hakkola und dem Hamburger Sascha Hommer herausgegebene Band mit Auszügen aus ihren Arbeiten vor.

Hakkola ist eine der Schlüsselfiguren der finnischen Szene, seit neun Jahren leitet er die Finnish Comics Society, hat das Helsinki Comics Center mitgegründet und zum zentralen Treffpunkt der vor allem in Helsinki ansässigen Zeichnerinnen und Zeichner gemacht. Hommer wiederum zeichnet selbst seit seiner Jugend Comics und hat sich vor allem als Mitgründer der Comic-Anthologie „Orang“ einen Namen gemacht.

Gemeinsam mit Hans Ebert vom Graphic-Novel-Laden „Strips & Stories“ und ehrenamtlichen Helfern organisiert Hommer das Comicfestival Hamburg. Ab Donnerstag präsentiert es zum achten Mal mit Ausstellungen, Workshops, Lesungen, Podiumsdiskussionen und einer Comic-Börse einen Querschnitt vor allem durch die junge europäische Comicszene.

Den Finnen ist dabei eine eigene Gruppenausstellung im Vorwerkstift gewidmet, zu Gast sind mit Anna Sailamaa und Amanda Vähämäki zwei der erfolgreichsten Comiczeichnerinnen der letzten Jahre. Gemeinsam mit Hakkola stellen sie die finnische Szene am kommenden Sonntag in einem Künstlergespräch vor, in einem Workshop gibt Sailamaa zudem ganz praktische Zeichen-Tipps.

Höhepunkte des Comicfestivals sind neben den Finnen eine Gruppenausstellung über Kolonialsoldaten und eine Ausstellung mit Arbeiten des britischen Comicstars Luke Pearson.

■ Do, 2. 10. bis So, 5. 10., Infos und Programm: comicfestivalhamburg.de