Man spricht Afrikaans

KRIMI Keine Landschaftsmalerei, aber packende Spannung – der südafrikanische Erfolgsautor Deon Meyer und sein jüngst erschienenes Buch, „Cobra“

Meyer möchte nicht das Klischee vom gewalttätigen Südafrika bedienen

VON CHRISTIANE MÜLLER-LOBECK

Stinkend und zerknittert untersucht Bennie Griessel den Tatort. Das Gästehaus eines Weinguts am Kap, zwei durchtrainierte Typen liegen in ihrem Blut, um sie herum Patronenhülsen mit rätselhafter Schlangengravur. Ein verwüstetes Schlafzimmer. Von seinem Bewohner, einem ausländischen Wissenschaftler, keine Spur. Was Ärger bedeutet, viel ärgeren als ein einheimischer Toter. Für Griessel, den mehr als 400 Tage lang trockenen Alkoholiker, heißt das zugleich größte Versuchung. Zumal er auch noch Probleme mit dem Einsatzkommando zwischen seinen Beinen hat, seit er bei seiner Freundin, der berühmten Sängerin Alexa, wohnt.

„Fok!“

In den Büchern von Deon Meyer, dem Großen des südafrikanischen Thrillers, wird Afrikaans gesprochen. Man redet sich mit „Mevrou“ und „Meneer“ an, und Griessels Kollegen bei den „Valke“, den Falken, der Polizeisonderabteilung für Kapitalverbrechen, sind schwarz, weiß oder bunt. Manche, wie sein ewig frotzelnder Mitarbeiter Vaughn Cupido, beherrschen auch das einfache „Kaaps-Afrikaans“ der Cape Coloureds, der Farbigen. Manche sprechen Englisch, einige Xhosa oder Zulu, wie die ambitionierte Kommissarin Mbali Kaleni. In der deutschen Übersetzung steht häufig dabei, welche Sprache gerade gesprochen wird, dennoch kommt der Flow erstaunlich gut rüber.

Dem weltweiten Erfolg von Meyer tut das Lokalkolorit keinen Abbruch, inzwischen wird er nicht nur in Europa, sondern auch in den USA begeistert gelesen. 1994, als das Post-Apartheid-Südafrika entstand, schrieb Meyer als Erster im Krimigenre. Und er glaubt bis heute an das Projekt „Regenbogennation“ – allen Ernüchterungen und seiner schwindenden Strahlkraft auch im Inland zum Trotz.

Die Fußball-WM 2010 ist längst vergessen. Jetzt macht Südafrika vor allem mit haarsträubenden Korruptionsfällen von sich reden. Oder mit dem Massaker an streikenden Platinminenarbeitern im August 2012 durch die Polizei und der folgenlosen Untersuchung der Ereignisse. Oder rassistischen Übergriffen und zuletzt durch Tumulte im Parlament im Zusammenhang mit der millionenschweren Renovierung einer Privatvilla von Regierungschef Jacob Zuma auf Staatskosten. Zumas Nepotismus lässt sich schwerlich übersehen. Während der Arbeiten an „Cobra“, Meyers viertem Griessel-Thriller, wurde ein Gesetz heftig diskutiert, das dem südafrikanischen Geheimdienst im In- und Ausland, SSA, unter Leitung eines engen Zuma-Vertrauten weitreichende Kompetenzen bei der Beschneidung von Bürgerrechten einräumt.

Meyer hat mehrfach betont, dass er nicht das Klischee vom gewalttätigen und kriminellen Südafrika bedienen möchte. Doch das neue Gesetz ging dem sonst immer optimistischen Autor offenbar arg gegen den Strich. In den Plot seines Thrillers um den verschwundenen Algorithmus-Erfinder baute er auch ein ordentliches Zuständigkeitsgerangel zwischen Polizei und SSA ein. Nach einer flammenden Rede der Kollegin Kaleni über die neuen Zustände, die jenen während der Apartheidära ihrer Auffassung nach arg ähneln, einigt sich die Einheit um Griessel umgehend aufs obstruktive Weiterermitteln.

Und Meyer, der in seinen Büchern immer viel über die sozialen Zustände am Kap verrät, schickt neben den Bullen in raschen Szenenwechseln noch einen kleinen Taschendieb mit in den Countdown. Tyrone Kleinbooi kreuzt versehentlich den Weg des Kobra-Killers, als er ein Portemonnaie mit heißem Inhalt stiehlt. Der smarte Cape Coloured wittert seine große Chance, will er doch seiner Schwester ein Studium finanzieren an der Universität Stellenbosch, einst Kaderschmiede der Buren.

„Cobra“ setzt fort, was sich in letzter Zeit bei Meyer, der in immer kürzeren Abständen veröffentlicht, schon ankündigte. Zwar sind die Suspense erzeugenden Konflikte, die mit viel Druck auf das Ende zutreiben, noch gut entwickelt. Aber für Atmosphäre und Landschaftsbeschreibung, auf die sich Meyers Ruhm einst auch gründete, bleibt wenig Luft. Entschädigt wird man mit einem vorzüglichen Verschwörungsthriller, in dem Meyer den Bogen erstmals global spannt, und das sehr, sehr geschmeidig.

■ Deon Meyer: „Cobra“. Aus dem Afrikaans von Stefanie Schäfer. Rütten & Loening, Berlin 2014, 448 Seiten, 19,99 Euro