Neue Musik von THEESatisfaction: Nackt im Weltall

Auf dem Album „EarthEE“ widmet sich das HipHop-Duo THEESatisfaction Mensch und Natur. Umwelt-Poesie, die nicht belehren, sondern einladen will.

Ergänzen sich: Irons (links) übernimmt die Rap-Parts und Harris-White den betäubenden Gesang. Bild: King Texas

Sagt der Vogel zum Wasser: „Darf ich einen Schluck nehmen? Darf ich meine Zehen in dich tauchen?“ Zweimal „Oh“, das war’s. In etwa so lassen sich die ersten Worte von THEESatisfactions neuem Album „EarthEE“ übersetzen. Was wie der Auftakt einer Fabel klingt, führt weder zu Belehrung noch zu Kritik.

Tatsächlich führen die zwei Zeilen nirgendwohin, sie ruhen in sich selbst, legen sich sanft über die dumpfen Offbeattrommeln und minimalistischen Synthieakkorde, die sich schon nach eineinhalb Minuten in Stille auflösen. Es ist ein Moment des Respekts und der Genügsamkeit, der die folgenden zwölf Songs einleitet und den Blick sogleich nach innen richtet, um die Außenwelt zu ergründen.

Stasia Irons und Cat Harris-White – früher ein Paar, heute gute Freundinnen – haben schon vor drei Jahren auf dem Debüt „awE naturalE“ ihr Feingefühl für den organischen Zukunftssound bewiesen. Das Duo aus Seattle lässt sich irgendwo zwischen HipHop, Jazz und Soul ansiedeln, ist jedoch so losgelöst von allem, dass es stets einen Fuß über der Erdoberfläche schwebt. Dabei ist es ebendiese Erde, die die thematische Grundlage des neuen Albums bildet.

Songtitel wie „Planet for Sale“, „Nature’s Candy“ und „No GMO“ (GMO steht für gentechnisch veränderte Lebensmittel) kann man durchaus als Statement für einen bewussteren Umgang mit der Umwelt begreifen. Doch den Zeigefinger spart sich die Band, sie umkreist das Thema lieber auf einem poetischen Level, das zur Reflexion einlädt: über die Beziehung zwischen Mensch und Natur, die Abhängigkeit von Rohstoffen, die wie kostbare Geschenke zelebriert werden.

„Wir sind eben Kinder der Natur“, sagt Stasia Irons am Telefon. „Besonders im letzten Jahr haben wir uns intensiv mit Themen wie Nachhaltigkeit beschäftigt, weil das sehr inspirierend ist. Ich meine, der Klimawandel schreitet voran, unser Planet ist regelrecht am Sterben. Dem muss man entgegenwirken, damit es uns langfristig gut geht. Das ist doch im Interesse von uns allen.“

Ein Hauchen in den Weiten des Alls

Der Blick in die Zukunft ist das, was das Wesen von THEESatisfaction seit jeher ausmacht. So paart sich auf dem neuen Werk der eher hippieeske Ansatz des Einssein mit der Natur auf charmante Weise mit der Ästhetik des Afrofuturismus. Auf dem Cover von „EarthEE“ sitzen die beiden Frauen mit der zeitlosen Anmut von antiken Skulpturen auf einem fiktiven Thron im Weltall, nackt bis auf die grafisch aufgesetzten weitmaschigen Häkelgewänder.

Auch musikalisch spiegelt sich das Konzept wider: überirdisches Geklimper, hallende Synthesizereffekte, gedämpfte Drums. Bei alldem reizvollen Stilbewusstsein aber schaffen es THEESatisfaction noch ganz nebenbei, eine derartige Leichtigkeit in ihrer Musik zu wahren, dass jeder Song ohne Mühe direkt unter die Haut geht.

Irons übernimmt dabei die maximal entspannten Rap-Parts, deren Ideenreichtum gänzlich ohne Füllwörter auskommt. Harris-White ist für den betäubenden Gesang zuständig, der mal in wenigen Takten die Tonleiter auf- und abtänzelt, mal kaum mehr als ein betrübtes Hauchen in den Weiten des Weltalls ist. Zusammen mit den weich geschliffenen Beats, an denen die beiden Damen mit dem Multiinstrumentalisten Erik Blood feilten – Blood hatte schon das großartige „Lese Majesty“ der Sub-Pop-Labelkollegen von Shabazz Palaces produziert –, und der Virtuosität von Bassistin Meshell Ndegeocello ergibt sich ein symbiotisch verschmelzender Klangkörper, an dem keine Ecke absteht und sich keine Lücke auftut.

Musik mit In-your-face-Aussagen

THEESatisfaction: „EarthEE“ (Sub Pop/Cargo)

„Wir sind auf jeden Fall sehr stark von Sun Ra beeinflusst“, erzählt Cat Harris-White im Interview. Sie und Irons hätten eine Zeit lang nur herumgesessen und den Film „Space Is the Place“ in Dauerschleife laufen lassen, um immer neue Dinge darin zu erkennen. Jazzavantgardist Sun Ra hatte 1974 mit dem Sci-Fi-Streifen eine queere Weltraumutopie für die ernüchterte Post-Bürgerrechts-Community geliefert – und damit den Grundstein für die Bewegung der Afrofuturisten gelegt.

So wurde THEESatisfactions Video zum Song „Recognition“ – eine Ode im Sprechchor an die Vorbilder der Band – teilweise im ehemaligen Wohnzimmer des 1993 verstorbenen Sun Ra gedreht. In einer anderen Szene wirft die 60-jährige Künstlerin und Designerin Xenobia Bailey, die vor allem für ihre gehäkelten Mandalas bekannt ist, einen hypnotischen Blick in die Kamera und philosophiert über die Übernatürlichkeit der einfachen Leute.

Es ist aber vor allem die diptychonartige Aufteilung des Videos, die die Seele von THEESatisfaction widerspiegelt. Gegensätzliche Bewusstseinszustände sind nämlich im Sound des Duos ganz selbstverständlich miteinander verwoben: Begehren und Entsagen, Rausch und Nüchternheit, Subtilität und In-your-face-Aussagen stehen beieinander, ohne sich gegenseitig abzustoßen. In „Blandland“ etwa rechnet Irons scharfzüngig mit der Ausbeutung kultureller Güter ab, ohne auch nur annähernd bitter zu klingen, weil die Attitüde eine unbekümmerte ist und der Feel-good-Sound im Midtempo wie Honig vor sich hin tropft.

Das Phänomen „Black Twitter“

Für einen meditativen Moment auf dem Album sorgt der Track „Post Black Anyway“, der sich, so erzählt Stasia Irons, dem Phänomen Black Twitter widmet. „Ich fand es bemerkenswert, dass sich die Proteste gegen rassistische Polizeigewalt und diese ganze Debatte in den USA im vergangenen Jahr am intensivsten in dieser kleinen Community online abgespielt haben. Die dortigen Reaktionen wollte ich in einem Gedicht kanalisieren, das letztlich zu meiner Strophe geworden ist.“ Satzfragmente hallen über einen trägen Alienbeat. Aus der Ferne ertönt eine Trompete, die Orgelmelodie bricht immer wieder ab und setzt von Neuem an.

Harris-Whites Gesang wechselt dabei die Gemütslagen im Sekundentakt. Allein für diesen Song habe sie stundenlang in einem Wald unweit von Seattle geübt, erzählt sie, um den richtigen Klang in ihrer seidenen Stimme zu finden. „Der Song verkörpert für mich eine tiefe Dunkelheit, die es zu umarmen gilt. Denn ohne Dunkelheit gibt es kein Licht“, sagt Harris-White am Telefon. „Ich habe mit dem Echo gespielt und wollte so klingen wie der Wald, wie der Schlamm und wie die Erde.“ Es klingt wie der Fiebertraum von einer fernen Zukunft, in der Klang und Natur und Mensch und All eins sind.

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