Hoffnungsbus auf der Sehnsuchtsspur

POP Isolation Berlin werfen mit ihrer „Körper“-EP den Rettungsring für den Indierock in die Spree – die Gitarre darf dabei auch mal zum Solo antreten

Es kann nicht schaden, das Feuerzeug zum Üben heute Abend schon mal in der Tasche zu haben

Jetzt ist es ja so, dass im Moment alle nach Österreich und Wien schauen, weil dort doch gerade mit Bands wie Wanda und Bilderbuch der deutschsprachige Indierock für den Pop gerettet wird. Pflichtgemäß ist das hiesige Bilderbuch-Konzert am 20. März im Astra bereits ausverkauft. Ist eben schon ein Weilchen her, dass die Wiener Gruppe Blümchen Blau, es war Anfang der achtziger Jahre, sang: „Das Schönste jetzt in Wien / ist der Schnellzug nach Berlin“. Manchmal wechselt halt die Fahrtrichtung. Aber das heißt ja nicht, dass gar nichts mehr los wäre hier in Berlin mit dem Indierock und den Rettungsringen dafür.

Da hätte man jetzt zum Beispiel Isolation Berlin, eine noch ziemlich frische und junge Band. Im vergangenen Jahr brachte das Quartett eine erste EP heraus, noch ohne ein Label im Rücken. Und nun hat es mit seiner zweiten Platte doch eine recht renommierte Heimat gefunden bei Staatsakt, dem Berliner Label, das Bands und Musiker wie Die Türen, Bonaparte, Ja, Panik und Jens Friebe beherbergt. Wieder ist es eine EP, „Körper“ geheißen, mit fünf Liedern – ganz old-school und damit voll im Trend liegend auf Vinyl vorgelegt.

Gesichter nutzen sich ab

Los geht es mit dem Lied „Bus der stillen Hoffnung“, und der fährt, weiter im Text, „auf Straßen leiser Sehnsucht, Freitag 13.30, nach Berlin“. Und in diesem Bus sind wohl wieder die „Zeittotschläger“ unterwegs, die man vielleicht noch von dem Lied von Blumfeld kennt. Wobei, vielleicht bereits vergessen, dieses Lied doch nur ein Schrei nach Liebe war. So wie das auch hier wieder ist: ein „Wiedersehen“ wird herbeigefleht, während man an anderer Stelle bereits altklug weiß: „Menschen und Gesichter / nutzen sich schnell ab“, und eingepasst ist all dieses Hoffen und Bangen in einen zweckmäßgen, schlaksigen Indierock, bei dem zwischendurch mal die Gitarre nach vorn zum Solo antreten darf. Ohne sich dabei irgendwie zu verkünsteln.

Älter gediente Pophörer sagen vielleicht NDW dazu mit dem rockigeren Anteil davon, und die haben genauso recht wie jene, die bei Isolation Berlin manchmal so eine trotzige Rotzigkeit hören wollen wie einst bei Annette Humpe zu Ideal-Zeiten. Immerhin hat die Band selbst in einem Lied auch das von Nina Hagen besungene Damenklo vom Bahnhof Zoo als Zitat eingeparkt.

Überhaupt hat man sich an verschiedentlicher Stelle bereits sehr gefreut, in der Leidenschaft und der Sehnsucht bei Sänger Tobias Bamborschke etwas von Rio Reiser zu spüren. Was man tatsächlich so hören kann. Und was auch ganz egal ist, weil diese Musik eben gleichfalls für Menschen funktioniert, die den Rio Reiser gar nicht kennen oder denen er als Gedenkveranstaltung aus der Vergangenheit ziemlich am eigenen Hintern vorbeigeht. Weil sich eh alles wiederholt. Weil es dabei doch immer neu ist: die jugendliche Gelangweiltheit, die Melancholie, die schiere Lust, dass man da ein Leben hat, in das man nur reinspringen muss.

Und manchmal hat man halt hier auch den Großstadtblues. Davon singen Isolation Berlin im letzten Lied ihrer „Körper“-EP, es heißt so wie die Band selbst, und in diesem „Isolation Berlin“ mag man schon – so wie es sich hymnisch aufplustert – ein seliges Schunkeln des Publikums sehen und das Leuchten der hochgehaltenen Handydisplays (wobei Vinylplattenkäufer traditionsbewusster Feuerzeuge recken sollten). Wenn dann einst wenigstens der mittelgroße Erfolg gekommen sein sollte für die Band.

Und das kann durchaus passieren. Einfach, weil die Band noch offen genug ist und anschlussfähig an unterschiedliche Szenen. Kann jedenfalls nicht schaden, schon mal ein Feuerzeug dabeizuhaben zum Üben heute Abend, wenn Isolation Berlin ihre Platte im Ballhaus Berlin vorstellen. THOMAS MAUCH

■ Isolation Berlin: „Körper“ (Staatsakt/RTD); live: heute, 13. 3., im Ballhaus Berlin, Chausseestraße 102, 21 Uhr, 8 Euro