Die blaue Sonne

KINO Alles liegt bei allem in Robert Bramkamps Film „Art Girls“, in dem sich wundersame Dinge ereignen

Kröten fliegen durchs Bild, ein godzillaartiges Wesen stapft durch die Straßen, erklettert den Fernsehturm am Alex, worauf der wegknickt und der Länge nach hinfällt. Die Sonne wird blau, später gibt es zwei Sonnen oder gar drei. Ein Mann im Rollstuhl kann wieder laufen, eine Künstlerin spricht mit sich selbst. Diese und andere, kaum weniger wundersame Dinge tragen sich im jüngsten Film Robert Bramkamps zu: „Art Girls“ lautet der Titel, zu Recht, weil das Ganze zum einen im Berliner Kunstbetrieb spielt und zum anderen sind zwei bis drei Frauen die Protagonisten.

Handlung, Thesen, Satire und Science-Fiction, Quatsch und Ernst lassen sich nicht ohne weiteres auseinandersortieren. Und wer es auseinandersortiert hat, muss nach dem genauen Zusammenhang der über die Oberflächen von Bild, Film, Geschichte verstreuten Teile immer noch suchen. Im Zentrum, das lässt sich sagen, steht die Künstlerin Nikita Neufeld (Inga Busch), von ihrem Freund frisch verlassen, Schöpferin eines Werks, das bis dato keine Sau interessiert. Es wird davon einiges präsentiert, ein Tarotkartending, eine Sache mit in Filmzitaten sprechenden Papierhandtuchabreißern und manches mehr. Was immer man davon hält, es sieht alles ziemlich plausibel nach Gegenwartskunst aus. Das liegt daran, dass es tatsächlich Gegenwartskunst ist, nämlich von Susanne Weirich, die als Art Director und Produzentin und ausweislich des Nachspanns noch an anderen Stellen des Films mit Autor und Regisseur Bramkamp kollaboriert.

Die Künstlerin Neufeld ihrerseits kollaboriert erst, und dann nicht mehr, mit Una Queens (Megan Gay). Beide sehen sich konfrontiert mit Kunst, die in der Wirklichkeit wirksam wird, mit teils erheiternden, teils verstörenden Effekten. Und sie geraten ins Experimentier- und Strömungsfeld eines Mad-Scientist-Zwillingspaars (beide: Peter Lohmeyer), von denen der eine Impulse aus der Kunst empfängt und so als Kurator agiert, wobei ihm freilich alles Innerästhetische schnurz bleibt, solange die Kunst (oder die Künstlerin) nur effektiv mit den eigenen Energiefeldexperimenten interagiert. Die Details müssen nicht interessieren (ich habe sie auch nicht verstanden), wichtig daran ist am ehesten, dass alles am Ende zur Feier einer neuen Intelligenz führt: Wo Ich war, soll Wir werden – was auch gelingt.

Abseits des Kinos

Der Filmemacher Robert Bramkamp steht, nicht nur als Professor an einer Kunsthochschule (in Hamburg), mit einem Bein in der Kunst. Darum haben seine Filme immer ein Vorfeld oder ein Umfeld abseits des Kinos: Sie breiten sich aus in ein Off, zu dem auch die Akademien gehören. In Göppingen war 2011 eine Ausstellung der fiktiven Künstlerin Neufeld zu sehen. Am ZKM in Karlsruhe wurde ein siebzigminütiges Mockumentary zum Film mit dem Titel „NEUE NATUR – Art Girls intern“ diskutiert, das Kunst und Kino noch einmal anders vermischt. Bramkamps Projekte bespielen mithin die Grenzbereiche von Film- und Kunst- und Diskursbetrieb, so weit das Fördergeld reicht.

Die Frage wäre: Was genau bekommen sie dabei zu fassen, oder läuft die Geste der Entgrenzung der Künste diesmal womöglich ins Leere? „Art Girls“ ist ein Sack Flöhe aus tausenderlei Tendenzen der Gegenwartskunst, fühlt sich in seiner exemplarisch avantgardistischen Verfasstheit aber auch ein wenig altbacken an. Man weiß vor allem nicht recht, welchem seiner Mittel Bramkamp selbst über den Weg traut: den Worten, den Bildern, den Ideen, den Special Effects, den Schauspielern, der Einstellung, den Thesen, dem Albernen, dem Seriösen, dem Verstiegenen oder dem Banalen seiner Konstellationen. ALBA (Alles liegt bei allem) ist die Antwort, die der Film selbst gleich zu Beginn gibt. Das freilich ist das Gegenteil eines Ordnungsprinzips.

EKKEHARD KNÖRER

■ „Art Girls“. Regie: Robert Bramkamp. Mit Inga Busch, Jana Schulz u. a. Deutschland 2014, 120 Min.