Die Liebeserklärungen, das gemeinsame Staubsaugen

FILMREIHE „Rosa pervers – Werkschau Rosa von Praunheim“ im Lichtblick-Kino

Es gibt keinen schwulen Film, so wenig, wie es einen heterosexuellen Film gibt

VON CHRISTIAN VAGT

1981, ein Jahr vor seinem Tod, wurde Rainer Werner Fassbinder gebeten, deutsche Filme in Listen festzuhalten. Es gab die Liste der besten, der wichtigsten, der schönsten, der ekelhaftesten und der enttäuschendsten Filme. Rosa von Praunheims „Armee der Liebenden“ (1979) und „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“ (1971) setzte Fassbinder auf die Liste der unwichtigsten Filme.

Was bewirkt die häufige Ablehnung der Filme Praunheims und seiner Person?

Praunheims Filme „nerven“, wie er es auch selbst ausdrückt. Oft ist das Spiel hölzern, es ist keine Dramaturgie erkennbar, der Dilettantismus nicht immer beabsichtigt. Politische Aussagen werden überschattet von persönlicher Eitelkeit. Die ständige Behauptung von schwuler Identität und die Proklamation von Perversität lassen diese vielleicht in den Filmen gerade nicht stattfinden.

Es gibt keinen schwulen Film, so wenig, wie es einen heterosexuellen Film gibt. Einen Film als „schwulen Film“ zu klassifizieren, entzieht ihn der Kritik. Der Film ist nicht mehr nur Film und muss sich als solcher bewähren, er steht jetzt für etwas anderes, er repräsentiert die Schwulen und das Schwulsein allgemein. Kritisiere ich den Film, kritisiere ich das Schwulsein.

Wenn der Filmemacher sich selbst als „Schwulenfilmer“ bezeichnet, sich als Repräsentant der Schwulen setzt, misst er sich eine Bedeutung zu, die über seine Person hinausgeht. Er spricht jetzt für alle, das ruft zu Recht Widerstand hervor. Auch wenn Praunheim sich als Berufsschwuler inszeniert, liegt die Schuld nicht bei ihm alleine. Über Jahre lädt das deutsche Fernsehen nur ihn ein, über Schwules zu sprechen, so, wie der Feminismus hier ausschließlich von Alice Schwarzer repräsentiert wird. Man stelle sich vor, die Talkshows hätten einen hundertfach eingeladenen Repräsentanten der Heterosexualität.

Was macht einige von Rosa von Praunheims Filmen, die jetzt in einer Retrospektive im Lichtblick-Kino gezeigt werden, dennoch sehenswert?

Praunheims Filme enthalten Stimmen, die die Anbiederung an eine heterosexuelle bürgerliche Gesellschaft thematisieren, das macht sie in Zeiten der Anpassung aktuell. „Nicht der Homosexuelle ist pervers …“ greift die Verhältnisse auf zwei Ebenen an, einerseits die Unterdrückung der Schwulen, und, sehr viel prominenter, richtet der Film sich gegen das Verhalten der Schwulen selbst, auch gegen die Sehnsucht nach der schwulen Ehe: „Schwule versuchen die bürgerliche Ehe zu kopieren. Anstatt die, denen sie ihr ganzes Unglück verdanken, zu hassen, wäre es ihr größtes Glück, eine von Kirche und Staat erlaubte lebenslange Zweierbeziehung einzugehen.“ und „Genau das ist die alte Scheiße wie bei Mann und Frau. Wir wollen nicht zwanghaft zusammen bleiben, sondern aus freiem Willen.“

Wie diese „alte Scheiße“ aussehen kann, zeigt die Parodie „Die Bettwurst“ (1970). Der Film führt in redundanten Dialogen und Handlungen die Redundanz menschlicher Beziehungen vor, das Kennenlernen, die Liebeserklärungen, das gemeinsame Staubsaugen. Rosa von Praunheims Tante Luzi Kryn spielt die Hauptrolle. „Ich brachte ihr als Partner einen jungen Stricher aus Berlin mit, Dietmar Kracht.“ „Die Bettwurst“ ist Praunheims Meisterwerk.

So aktuell wie sein Einwand gegen die homosexuelle Kopie der heterosexuellen Ehe ist Praunheims Kritik an der Käuflichkeit schwulen Lebens und der Kommerzialisierung von Subkultur. Ein Aktivist in „Armee der Liebenden“ sagt: „Die Leute haben zu viel Angst, einen sehr genauen Blick zu riskieren, und zu sagen, ja, wir sind unterdrückt. Sie sind gewillt, für die Stückchen Scheiße, die ihnen gegeben werden, wie Christopher Street und die Discos, mitzumachen. Es ist nicht genug für mich, und es ist nicht genug für eine Anzahl von Leuten in der Bewegung, die nicht zufrieden sind mit den Brocken, die sie uns zuteilen, und die sie Freiheit nennen.“

■ „Rosa pervers – Werkschau Rosa von Praunheim“ im Lichtblick-Kino, 28. April bis 6. Mai, davon in Anwesenheit des Regisseurs: „Stadt der Verlorenen Seelen“ am 28. April, 20.30 Uhr, und „Härte“ am 2. Mai, 20 Uhr