Nachschub für die Erde

POP Stilsicherer Krach: das Hamburger Rock-’n’-Roll-Trio Mars needs Women und sein wunderbares Debütalbum

Als Erstes zu hören: der Sound einer verzerrten Gitarre, kratzig und selbstbewusst

VON CARLA BAUM

In einer Zeit, in der sich vor allem clubkonforme und reduzierte elektronische Musik kommerziell durchsetzt, in der E-Gitarren nette Melodien spielen dürfen, sich aber längst nicht mehr krachend in den Vordergrund drängen, wie es die virtuosen Gitarristen der Sechziger und Siebziger bevorzugten – in einer solchen Zeit, nämlich der unseren, könnte man das Bandprojekt Mars needs Women ein gewagtes Unterfangen nennen.

Der Sound einer verzerrten Gitarre ist so ziemlich das Erste, was sich der Hörerin aufdrängt, als der Auftaktsong des Albums erklingt. Kratzig und selbstbewusst stellt sie sich vor und wird nicht weichen, bis der letzte Akkord des Albums verklungen ist. Peta Devlins Stimme gesellt sich dazu und und singt, wie um das selbstbewusste Anfangsstatement zu unterstreichen: „Get ready, ’cause here I come!“

Aha, eine Rock-’n’-Roll-Band, bestehend aus drei Frauen, die ihr Herz an die Musik der Fünfziger bis Siebziger verloren haben, könnte man denken. Doch so einfach ist es erfrischenderweise nicht. Schon der Blick aufs Plattencover irritiert und lässt schmunzeln: Der pinke Schriftzug Mars needs Women mit Sternchen drumherum, darunter die drei Bandmitglieder Peta Devlin, Barbara Hass und Susie Reinhardt in silbernen Anzügen vor Weltraum-Kulisse.

Schnell wird klar: Hier sind keine spießigen Rock-’n’-Roll-Nostalgikerinnen am Werk, sondern Musikerinnen mit einem geschärften Sinn dafür, Stilreferenzen aus den letzten 60 Jahren musikalisch und ästhetisch, bisweilen auch humoristisch, zu verarbeiten.

Der einen oder dem anderen mögen die Namen der Bandmitglieder aus vergangenen Zeiten geläufig sein. Devlin und Hass lernten sich vor 25 Jahren bei der „Braut“ kennen. Die Braut haut ins Auge war eine Popband mit ausschließlich weiblichen Mitgliedern, gegründet Ende der Achtziger in Hamburg. Gitarristin Barbara Hass war zusammen mit Bernadette LaHengst unter den Gründungsmitgliedern, Devlin stieß kurze Zeit später als Bassistin dazu. Nach langer Funkstille – Devlin tourte inzwischen mit Bela B. – trafen sie sich zufällig wieder und gingen zusammen in den Proberaum: „Da war es plötzlich, als hätten keine 20 Jahre dazwischen gelegen, dass wir das letzte Mal zusammen gespielt haben.“

Devlin holte noch Reinhardt dazu, die sie von ihrer Band Hoo Doo Girl kannte, und Mars Needs Women war geboren. Von den Demoaufnahmen überzeugt, bot sich bald Bela B. an, das Debüt der Band auf seinem Label zu veröffentlichen. Produziert wurde mit einem anderen alten Bekannten, Ted Gaier von den Goldenen Zitronen.

In ihren Songs verarbeiten die drei Hanseatinnen gemeinsame musikalische Vorlieben und Einflüsse. Dazu gehören unüberhörbar Country, Rock ’n’ Roll, Soul und Blues. Nach konkreten Bands und Künstlern gefragt, erwähnt Devlin als Erstes: „Elvis, man kann es nicht leugnen.“ So findet sich etwa auch eine Coverversion von „Wearin’ that loved-on look“ auf ihrem Album, einen Song, den auch Elvis seinerzeit coverte und der im Original vom US-Countrysänger Dallas Frazier stammt.

Drei Akkorde, ein Auftrag

In der Version von Mars needs Women ist es aber vom Stil her eher an The Ramones angelehnt. Auch Punk, meint Devlin, habe für alle drei Bandmitglieder eine große Rolle gespielt. „Diese Attitüde, einfach auf die Bühne zu gehen, obwohl man nur drei Akkorde spielen kann, ist tief in unserer musikalischen Sozialisation verankert,“ meint sie. Bei Mars needs Women macht sich Punk deswegen auch weniger im Sound bemerkbar als in einem unbefangenen und sicheren Umgang mit verschiedenen Stilen, ohne Angst, ihnen einzeln nicht vollends musikalisch gerecht zu werden. So schleicht sich auf rockigeren Stücken auch mal ein souliges „Shoop Shoop“ ein, und wenn es gerade richtig laut geworden ist, kann mühelos ein Schleicher wie „Baby Just Go“ folgen, der mit Devlins sehnsuchtsvollem, countryesken Gesang beginnt; „In springtime we met / I’ll never forget.“

Die Verarbeitung verschiedener Einflüsse, meint Devlin, geschieht bei Mars needs Women eher zufällig als geplant: „Wenn ich mich hinsetze und einen Song schreibe, arbeite ich relativ kontextlos“, sagt sie. „Erst später fällt mir dann auf, woran mich die Musik erinnert.“

Bewusster war die Entscheidung für den Bandnahmen. Gemeinsam blätterten die Bandmitglieder durch Listen mit B-Movies der Sechziger, bis sie auf „Mars Needs Women“ stießen, einen Film von 1967: Er handelt davon, wie sich eine Mission vom Mars zur Erde aufmacht, um Frauennachschub zu holen. „Ein Schrott-Film,“ sagt Devlin schmunzelnd, „wir lieben seine trashige, futuristische Ästhetik.“ Schnell konnten sich die Musikerinnen auch mit der Botschaft des Bandnamens anfreunden: Mars, der männliche Planet, der dringend weiblichen Einfluss braucht. Sie alle sind für feministische Themen sensibilisiert, spätestens seit sie sich als Musikerinnen im männlich geprägten Musikbiz der neunziger Jahre behaupten mussten. „Damals war es noch weniger selbstverständlich, Frauen mit Musikinstrumenten auf der Bühne zu sehen. Diese Erfahrungen und die Hoffnung, eine Art ermutigendes Vorbild sein zu können, schwingt bei allem, was wir machen, mit“, meint Devlin.

Wenn der Mars also das Musikbiz ist, dann sind Devlin, Reinhardt und Hass also die lang ersehnte weibliche Verstärkung? Ganz so streng mag es Devlin nicht sehen. Denn, fügt sie augenzwinkernd hinzu, natürlich sei der Bandname auch einfach eine willkommene Gelegenheit, sich silberne Raumfahrt-Anzüge anzuziehen und flamboyante Frisuren zu machen.

■ Mars needs Women: „Mars needs Women“ (B Sploitation/Rough Trade)