Noch mal durch das Loch in der Wand

CLUB In Friedrichshain sagt man mal wieder Tschüss zur schrammeligen Ausgehkultur: Im Antje Øklesund feiert man am Samstag die letzte Runde

Vom Antje Øklesund aus gesehen kann man, wenn man rechts die Rigaer Straße in Friedrichshain herunterläuft, die letzten Kiezpunks rund um den „Fischladen“ beobachten. Geht man jedoch ein paar Meter in die andere Richtung, wird die Hundekotdichte schnell geringer und es tauchen bald die ersten Bioläden und Anzeichen einer fortgeschrittenen Prenzlauerbergisierung auf.

In Zukunft wird das Antje Øklesund wohl das eine Friedrichshain mit dem anderen vereinen. Nach dem heutigen Samstagabend mit Konzerten und der üblichen Feierei schließt der wunderbar schrammelige Laden auf dem Gelände der sogenannten Alten Möbelfabrik. Aber er wird wahrscheinlich wiederkommen auf dem gleichen Gelände, dann integriert in den topsanierten, superschicken „Kulturhof Möbelturm“. In ungefähr zwei Jahren soll es so weit sein mit dem neuen Arrangement, sagt Hajo Toppius, einer der Betreiber des Antje Øklesund.

Noch ein par Stunden lang aber ist sein Laden einer dieser Orte in Berlin, wegen dem Touristen aus aller Welt in die Stadt kommen. Wie bitte, man geht durch ein Loch in der Wand, um in den Konzertsaal zu kommen? Ja, in Berlin macht man das so.

In den wilden Neunzigern in Berlin gab es die sogenannten Wochentagbars. Immer wieder in einem anderen baufälligen Schuppen im Ostteil der Stadt wurden ein paar Kästen Bier und ein DJ hingestellt, und es konnte losgehen. Der Weg zur temporären Bar wurde einem mit Teelichtern gewiesen. Im Prinzip läuft es auch im Antje Øklesund so, nur dass es, wenn man im riesigen Hof der Rigaer Straße 71–73 steht, überhaupt keinen Hinweis gibt, wo es jetzt langgeht.

Manchmal gibt es in Berlin das Gemecker, dass es in der Stadt zwar ungefähr 354 große, kleine, gute und weniger gute Clubs gebe, in denen permanent superamtlicher Minimal laufe, aber keinen bloßen Abspackladen, wo man mal nicht auf DJ Superduper warten muss. So einen Laden, wie es vielleicht der „Pudel“ in Hamburg ist. In dem Sinne war das Antje Øklesund aber vielleicht noch viel pudeliger als der „Pudel“ selbst. Hier traten all die coolen Kiez- und Provinzbands schon auf, bevor man was von ihnen in der Spex lesen konnte. Auch diese Woche wieder, die im Antje Øklesund unter den verheißungsvollen Motti „Der Letzte macht das Licht an“ und „Die letzten Tage von Friedrichshain“ stand.

Danke, Antje

Am Donnerstag sagte etwa Cranky Bookings: Tschüssi! Cranky Bookings? Nie gehört. Man ging also erneut vorbei an den Sofas, die da vor dem Club im Freien herumstehen, und vorbei am Hometrainer, bei dem man sich fragte, ob der noch funktioniert. Dann durch die besagte Wand, hinein in diesen herrlich baufälligen Konzertsaal, wo Cranky Bookings gerade die Berliner Band Fed.Ex präsentierte. Und was soll man sagen: Fed.Ex waren einfach super. Einer machte Krach, der andere spielte Schlagzeug: das reichte. Auch dafür: Danke, Antje.

Heute am Samstag treten zum großen Finale die Berliner Weltstars Chuckamuck und Hamburgs Top-Band von morgen, Schnipo Schranke, auf. Dann war’s das erst mal. Im nächsten Frühjahr folgt eine Zwischennutzung des Antje Øklesund in einer Art Container, später dann die Integration in die schöne, neue, saubere Wohnsiedlung inklusive Kulturangebot. Nur das Beste für das Antje Øklesund, aber so schön wie einst wird es wahrscheinlich nicht mehr werden.

Übrigens: Der Schriftsteller Jan Brandt behauptete in seinem Nachruf auf den Club, die Uhr dort würde immer fünf vor zwölf anzeigen. Das stimmt nicht. Inzwischen ist es auf dieser fünf nach zwölf. ANDREAS HARTMANN