AMERICAN PIE

Brett Favre scheitert knapp vor der Super Bowl – und weiß mal wieder nicht, ob er aufhören soll oder nicht

Das große Zaudern, Volume 3

Brett Favre ist nah am Wasser gebaut. Erstaunlich nah für jemanden, der seit 1992 keins seiner Football-Spiele verpasst hat. Für einen, der 309 Mal in Folge in der Startaufstellung stand, und das trotz verdrehter Knöchel, angeknackster Finger und von Gehirnerschütterungen dröhnendem Schädel. Aber am Sonntag verdrückte der wenn schon nicht beste, aber dann doch zumindest spektakulärste Quarterback in der Geschichte der NFL die eine oder andere Träne. Der Anlass: Favre hatte mit den Minnesota Vikings denkbar knapp den Einzug in die Super Bowl verpasst. Und womöglich seinen allerletzten Pass geworfen.

Aber ob die 28:31-Niederlage bei den New Orleans Saints tatsächlich der letzte Auftritt des Football-Profis Favre war, das weiß momentan noch niemand. Am allerwenigsten wohl Favre selbst. Ist der 40-Jährige doch so wankelmütig wie ein kleines Kind im Bonbonladen. Schon zwei Mal hatte er seine ruhmreiche Karriere nach einer mit einer Enttäuschung beschlossenen Spielzeit beendet, nur um pünktlich zur neuen Saison vom Rücktritt wieder zurückzutreten. Die dazwischenliegende, monatelange Hängepartie geriet jedes Mal zum Medienspektakel. Ein solches droht nun zum dritten Mal. Zwar ließ Favre vor dem Halbfinale verlauten, er habe sich bereits entschieden, schränkte nach dem Spiel aber ein, eine erneute Rückkehr sei „extrem unwahrscheinlich“, ließ sich mit dieser Formulierung also sein geliebtes Hintertürchen offen. Denn zwar jammert Favre schon seit Jahren, er möge seinem von nun 19 NFL-Spielzeiten geschundenen Körper keinen Football mehr zumuten, erliegt aber dann doch immer wieder seinem Spieltrieb. Auch die vergangene Saison war Favre wieder „ein großer Spaß“. Und nicht nur das: Statistisch gesehen war er niemals besser, nicht einmal 1996, als er mit den Green Bay Packers die Super Bowl gewann.

Der rüstige Beinaherentner bewies, dass er noch auf allerhöchstem Niveau mithalten kann. Andererseits aber zeigten die Saints dem alten Mann noch einmal eindrücklich die Gefahren des Football-Sports auf. Die Verteidiger aus New Orleans ließen keine Gelegenheit aus, die morschen Knochen von Favre auf ihre Festigkeit zu testen, und rannten ihn regelmäßig über den Haufen, oft am Rande der Illegalität. Besonders böse erwischte es Favre im dritten Viertel, als er von gleich zwei Verteidigern zu Boden gerissen wurde, dabei Knie und Knöchel verdrehte und froh sein durfte, ohne Beinbruch davongekommen zu sein. Zwar konnte Favre, so einer der Assistenztrainer der Vikings, anschließend „kaum noch laufen“, humpelte aber trotzdem wieder aufs Feld. Und hätte Minnesota fast noch zum Sieg geführt. Doch das Glück war Lazarus nicht hold: Kurz vor Ende der regulären Spielzeit warf Favre einen Fehlpass, in der Verlängerung gelang New Orleans das entscheidende Fieldgoal.

Die New Orleans Saints spielen nun am 7. Februar in Miami um den Titel gegen die Indianapolis Colts, die die New York Jets aus dem Wettbewerb warfen. Die enttäuschten Vikings aber hoffen, dass sich Brett Favre entscheiden möge, seine glorreiche Karriere um eine weitere Saison zu verlängern. In der Kabine waren nach der Niederlage reichlich Tränen geflossen, als sich ein Großteil der Kollegen schon mal vorsorglich von ihrem Quarterback verabschiedete.

Dass Favre nachdenken muss, ob er weitermacht oder nicht, das verstehen die restlichen Vikings. Wide Receiver Percy Harvin wurde in seinem ersten Profijahr von Favre mit Pässen gefüttert und sagt nun über seinen Ballverteiler: „Wir wollen auf jeden Fall, dass er zurückkommt. Aber auf der anderen Seite habe ich noch nicht zwei Jahrzehnte in dieser Liga gespielt. Ich habe nur eine Saison gespielt und weiß, wie sich mein Körper im Moment anfühlt.“

Favres Körper wurde am Montag von den Teamärzten untersucht. Gemeldet wurde eine Handvoll Blessuren, aber nichts so Tiefgreifendes, dass er kommenden Sommer nicht einen weiteren Anlauf auf die Super Bowl beginnen könnte. Aber will er das? Eine spannende Frage, die nur einer beantworten kann: Brett Favre. THOMAS WINKLER