Die Tugendmeister

TITELKAMPF I Bayern-Trainer van Gaal ist nach dem souveränen 3:1 bei Meister VfL Wolfsburg „böse“ auf seine Spieler

„Das war arroganter Fußball“

LOUIS VAN GAAL

AUS WOLFSBURG PETER UNFRIED

Ob man es für eine gute Nachricht hält oder auch nicht: Der FC Bayern München ist derzeit richtig gut in Schuss, wie das 3:1 beim deutschen Fußballmeister VfL Wolfsburg zeigte. Trainer Louis van Gaal hat nach einigem Ruckeln zu Beginn seinen Positionsfußball erfolgreich modifiziert. Derzeit kann das Team auf Grundlage der nötigen defensiven Kompaktheit und mit Hilfe individueller Extraklasse seinen Kombinationsfußball durchsetzen – gegen unterlegene Gegner wie Wolfsburg sogar relativ problemlos. Robben (2.), van Buyten (26.) und Barzagli (57., Eigentor) trafen für den FC Bayern, Grafite (90.) für Wolfsburg.

Van Gaal, zuletzt immer gut gelaunt, ist ausgerechnet jetzt „böse“. Sagt er zumindest. Für ihn war der Fußball seines Teams nämlich nicht souverän, sondern „unkonzentriert“ und „arrogant“. Diese Sicht der Dinge hat einige verwundert. Ob er tatsächlich verärgert ist oder den Bayern einen strategischen Dämpfer gönnt, war aus seinem Auftreten in Wolfsburg nicht zu entschlüsseln. Man hat 8 Bundesligaspiele in Folge gewonnen (plus zweimal in der Champions League) und ist seit 14 Spielen unbesiegt. Vielleicht will van Gaal Selbstzufriedenheit vorbeugen.

Es war ein Spiel, in dem die drei spektakulärsten Spieler der Liga auf dem Rasen standen: Robben, Ribery und Dzeko. Primus an diesem Tag: Arjen Robben, der das erste Tor erzielte, beim zweiten die Ecke schlug und das dritte mit einem Klassepass vorbereitete. Robbens Tempodribblings können potenziell zu jedem Zeitpunkt auch eine formierte Abwehr aufreißen und sind in der Bundesliga solitär. Solange Ribery nicht topfit ist, heißt das. In Wolfsburg kam der Franzose zur Halbzeit, wobei sich van Gaal den Luxus leistete, einen Spieler wie Olic rauszunehmen.

Der „Arroganz“-Fußball bestand für van Gaal darin, dass man nach 2:0-Führung „unkonzentriert“ gespielt habe und dadurch einige Chancen zugelassen hätte. Was er nicht sagte – gegen einen Gegner, der erledigt zu sein schien. „Wir haben hart arbeiten müssen, um hierhin zu kommen“, sagte der Niederländer, offenbar in Anspielung auf den holprigen November, als er auch intern diskutiert worden war. „Das darf man nicht in einem Spiel verlieren. Deshalb bin ich böse auf meine Spieler.“ Landsmann Robben wagte Widerspruch. Man sei tatsächlich nicht konzentriert genug gewesen, okay, aber: „Arrogant waren wir nicht, da bin ich nicht einverstanden.“ Dass man das Spiel wie schon das letzte gegen Bremen auch hoch hätte gewinnen können, das war auch Robben klar. Aber wenn es am Ende drei Tore seien, „dann ist das doch auch ganz gut, oder?“

Das ist es, keine Frage. Die Bayern haben 26 Tore in den letzten 8 Spielen erzielt. Da wird es sehr interessant in der Champions League. Was den VfL Wolfsburg angeht, so hat Interimstrainer Lorenz-Günther Köstner Armin Vehs Ballbesitzfußball entschärft. Er ließ das Team gegen die Bayern tief stehen, auf Konter lauern und mit einer ganzen Menge Flugbällen arbeiten. Ergebnis: zwanzig konkurrenzfähige Minuten. Häufig artete der schnelle Ball in Aktionismus aus.

Köstner, 57, hatte den Kopf eingezogen wie am Ende sein Team, die Stimme aber dafür ungewöhnlich laut eingestellt, als er darüber referierte, was geschehen müsse, bis „wir es irgendwann mal wieder verdient haben, Siege einzufahren“. Die Stabilisierung sieht er als Moral- und Tugendfrage: Mehr tun, mehr laufen, härter arbeiten (und enger und konzentrierter verteidigen) fordert er von den VfL-Profis, die er offenbar für saturiert hält. Auf keinen Fall mag er „Quatscherei“. Das Wort schrie er zweimal in den Raum. Wen er damit meinte, sagte er nicht explizit. Spielmacher Misimovic holte er nach 70 Minuten vom Platz. Wer Erfolg hatte, dürfe in der Folge „keinen Schritt zurückgehen“, sondern müsse „einen Schritt mehr laufen“. Der danebensitzende van Gaal nickte. Genau das versucht er offenbar grade den Seinen zu vermitteln.