Taz-Serie zur WM: Griechische Idylle am Buckower Damm

Berliner Clubs der WM-Teilnehmer (2): Der FC Hellas hat Aufstiege erlebt und einen tiefen Fall. Heute ist er wieder etabliert.

Ob Griechenland bei der WM Grund zum Feiern hat, ist noch unklar. Bild: AP

Die Bouzouki spielt, Retsina wird gereicht und auf dem Grill liegen die Lammkoteletts. Die Sonne scheint, die Menschen lachen und abgerechnet wird pro Tisch und nicht nach Einzelpersonen. Ein Stück gutes, altes Griechenland ist hier zu Hause - wie perfekt inszeniert für ein Werbefoto des Fremdenverkehrsamtes. Wäre da nicht hinter dem Grill der schnöde Fußballplatz, auf dem sich der FC Hellas in der Kreisliga B gegen die Reserve von RW Hellersdorf abrackert.

"An der Windmühle" heißt die Sportanlage des FC Hellas, und die liegt nicht auf Samos, Mykonos oder Korfu, sondern am Buckower Damm 150 mitten in Neukölln. Hier kickt Berlins einziger griechischer Fußballverein. Hier ist er gelandet nach langen Irrwegen von Ost nach West, nach Namenswechseln, rasanten Aufstiegen und einem fast dramatischen Fall. Den wollen die Kicker nun endlich stoppen.

"Rund 11.000 Griechen leben in Berlin; wir sind ihr einziger Fußballverein", erklärt Stavros Chrissafoudis nicht ohne Stolz. Der 46-jährige Inhaber eines Reisebüros zählt zu den Vereinsgründern und begleitet den Klub seit nunmehr 28 Jahren in allerlei Funktionen: Er war Spieler, Aushilfstrainer, Vorsitzender und Sportdirektor.

Derzeit steuert Chrissafoudis als zweiter Vorsitzender die Geschicke des FC Hellas, der als FC Rudow am 11. März 1982 aus der Taufe gehoben wurde. "Ausländische Vereinsnamen waren damals beim Berliner Fußballverband nicht so gerne gesehen. Deshalb nannten wir uns FC Rudow. Wir wollten keinen Ärger", erklärt Chrissafoudis die Namensgebung und nippt an einem Glas Ouzo.

Chrissafoudis kommt jetzt ins Reden. Man hört ihm gerne zu, wenn er über den Club spricht. Denn die Geschichten sind ebenso spannend wie überraschend. Wie die, dass die Gründung des Vereins eigentlich auf den griechischen Bürgerkrieg von 1945 bis 1949 zurückgeht. Viele linke Aktivisten verließen nach ihrer Niederlage das Land und emigrierten nach Bulgarien, Ungarn, Jugoslawien oder in die neu gegründete DDR. So auch Stavros Chrissafoudis Eltern. "Zu Hause sprachen wir Griechisch und lebten in der DDR wie normale Staatsbürger. Vom Status jedoch waren wir staatenlos", erinnert sich Chrissafoudis, der in Leipzig geboren wurde. Er kickte lange bei Motor Mockau.

Als seine Eltern Ende der 70er Jahre legal die DDR verließen und sich nach Westberlin aufmachten, wollte Chrissafoudis weiter Fußball spielen. "Am liebsten unter Griechen", berichtet er. Einen griechischen Fußballverein gab es damals nicht in Westberlin. Deshalb gründeten Chrissafoudis und eine Hand voll "Exilanten" im Jahr 1982 einen eigenen Klub: eben den FC Rudow. "Hier fand sich eine Mischung aus gebürtigen DDR-Griechen, griechischen Studenten aus Westberlin und Gastarbeitern zusammen", erinnert sich Jannis Kandilakis, ein Spieler der ersten Stunde und heute Spielertrainer des Alt-Liga Teams des FC Hellas.

Das, was die Identität des Vereins damals stiftete, war die Besinnung auf das Griechentum: das Essen, die Familie, die Musik, die Geselligkeit, der Stolz auf die ferne, krisengeschüttelte Heimat und natürlich die Liebe zum Fußballsport. "Es hätte besser so bleiben sollen", mahnt Chrissafoudis im Rückblick an. Doch ein paar Jahre nach der Vereinsgründung übernahmen ehrgeizige Fußballfunktionäre den kleinen Verein. Sie wollten ihn mit viel Geld ganz groß machen.

Es folgten wilde Zeiten. Mit einer Art "Hurra-Fußball" stürmten die Griechen im Jahr 1995 bis hinauf bis in die Berliner Verbandsliga. Da nannte man sich schon Olympiakos Berlin. Um seine ehrgeizigen sportlichen Ziele zu verwirklichen, kaufte der Verein ausländische Spieler ein. Selbst Iwan Jaremtschuk, der mit Dynamo Kiew Europapokalsieger wurde, kickte ein halbes Jahr für die Berliner Griechen, bevor er in die erste griechische Liga bei OFI Kreta verschwand.

Doch statt im bezahlten Fußball zu landen, folgte im Jahr 2000 die Fast-Pleite und ein erneuter Namenswechsel. Nun hieß der Verein FC Hellas. "Der Name steht für eine Rückbesinnung auf das, was den Verein immer ausgemacht hat. Nämlich die Verbindung zur Heimat Griechenland", erklärt Chrissafoudis.

Das Konzept ist aufgegangen. Der FC Hellas ist für die griechischen Kicker in Berlin wieder die erste Adresse. "Wir erleben eine Renaissance von griechischen Spielern in unserem Club", hat der zweite Vorsitzende beobachtet. "Hier fühle ich mich wie in Griechenland", erklärt Michalis Koutelas, der zu dieser Saison aus der Landesliga zu den Hellenen ein paar Spielklassen runter wechselte. Für Nikos Koumalatsos, auf Samos geboren und in Berlin studierend, ist es vor allem "die griechische Komponente", die den FC Hellas so attraktiv macht. Und der Kapitän Jorgos Oloktsidis kann sich nicht vorstellen, "woanders als bei den Griechen zu spielen", wie er sagt.

Der FC Hellas wird von griechischen Tavernen aus dem Westteil der Stadt gesponsert. Er hat 200 Mitglieder, und zum griechisch-orthodoxen Osterfest bittet man den Fußball-Verband um eine Spielverlegung.

Im Sommer ist es am Platz "An der Windmühle" besonders schön. Die Bouzouki spielt, Retsina wird gereicht und auf dem Grill liegen die Lammkoteletts. Beim FC Hellas ist jetzt fast alles wieder so wie vor 28 Jahren.

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