PRESS-SCHLAG
: Schön schnell

FUSSBALLÄSTHETIK Das Hochgeschwindigkeitsspiel sorgt zu Beginn der Saison für Begeisterung. Ballbesitzfußball ist derzeit out

Schöne Bayern gibt es nicht zurzeit. Zum Fürchten sind sie schon gar nicht

Spaßfußball ist angesagt in diesen ersten Wochen der neuen Bundesligasaison. Junge Burschen jagen den Ball und ihre eigenen Körper mit Hochgeschwindigkeit über das Spielfeld und haben auch dann noch nicht genug, wenn ihre Mannschaft hoch führt. Borussia Dortmund ist in dieser Hinsicht die Mannschaft der Stunde. Und wenn über Mainz gesprochen wird, dann wird er auch gefeiert, dieser Hochgeschwindigkeitsfußball, mit der das Team die Spiele entscheidet. Der VfL Wolfsburg hat zwar erst zweimal gewonnen, bei den Siegen aber so schnell gespielt wie in der unvergessenen Meistersaison, dass die Autostädter umschwärmt werden wie einst im Mai 2009. Schön finden das nicht wenige. Und Dortmunds Trainer und Volkstribun Jürgen Klopp will seine Mannschaften immer so spielen lassen, dass die Anhänger beim Anstoßen auf die Siege denken: „Wie geil war das denn?“

Es ist noch keine drei Monate her, da galt eine ganz andere Art des Fußballs als der Inbegriff des Schönen im Fußball. Spaniens Ballmonopolisierer wurden in den ästhetischen Himmel gelobt für ihre Art, wie sie in Südafrika durch das Turnier marschiert sind. Obwohl sie im gesamten Turnier gerade einmal acht Tore geschossen haben, galt ihr Werk als schön. Keine Mannschaft konnte den Ball so sicher laufen lassen wie die Spanier. Das traf den Geschmack. Und es ist ebenfalls noch nicht allzu lange her, da stimmten selbst die ärgsten Bayernhasser ein Loblied auf die Münchner an, die mit Ballbesitzfußball beinahe schon iberischer Prägung bis ins Finale der Champions League vorgedrungen waren. Die einst wegen ihrer eiskalten Effizienz verachteten Duselbayern galten plötzlich als Fußballästheten. Der Ruhm ist schnell verblasst.

Das 2:1 in Hoffenheim, bei dem die Bayern ihre Saisontore Nummer drei und vier erzielt haben, ging als glücklicher Sieg in die Spieltagsgeschichte ein. Es soll zwar ganz passabel gewesen sein, was die Bayern in Sinsheim abgeliefert haben. 80 Prozent Ballbesitz sind wahrlich nicht übel. Doch beinahe niemand schwärmt derzeit von der Ansehnlichkeit des Münchner Spiels. Schöne Bayern gibt es nicht zurzeit. Und zum Fürchten sind sie schon gar nicht. Vor ein paar Monaten, da lief noch die vergangene Saison, da meinte der Mainzer Trainer Thomas Tuchel vor dem Spiel bei den Bayern: „Helfen würde uns ein schnelles Tor und ein schneller Abpfiff, und vielleicht können wir ja den Mannschaftsbus vor unserem Tor parken.“ Diesen Satz hat die Deutsche Akademie für Fußball-Kultur gerade als besten Fußballspruch der Saison ausgezeichnet. Und jetzt fahren die Tabellenführer aus Mainzer als Fußballschönlinge zu den Münchnern, und die notorischen Bayernhasser hoffen, dass der Karnevalsverein dem Trachtenklub zeigt, wie man so richtig schön Fußball spiel. Und wenn die Bayern gewinnen?

Wahrscheinlich ist es ganz einfach. Als schön gilt, was erfolgreich ist. Und sollten die Bayern, was sie selbst selbstredend für selbstverständlich halten, am Ende der Spielzeit wieder ganz oben in der Tabelle stehen, dann könnte es gut sein, dass ihnen wieder der Schönheitspreis der Saison überreicht wird. Von den Mainzern wird dann vielleicht kaum noch einer reden. Noch gilt ihr Laufspiel als ansehnlich, bald könnte das aufwändige Ganzfeldpressing als sinnlose Schufterei verhöhnt werden. Möglich ist auch, dass den Dortmunder Rasenrasern irgendwann in den nächsten Monaten die Kraft ausgeht, dass die Steilpässe ungenau und die Sprints langsamer werden. Dann werden sich die Ersten längst aufgemacht haben und die Schönheit des Spiels woanders gefunden haben.

ANDREAS RÜTTENAUER