Fußball-Bundesliga: Frust im Niemandsland

Dem VfL Wolfsburg gelingt beim 2:3 gegen Leverkusen im heimischen Stadion erneut das Kunststück, einen sicher geglaubten Sieg noch kurz vor Schluss zu vergeigen. Diego reagiert ruppig.

Am Ende vergeblich getroffen: Der Wolfsburger Spieler Grafite bejubelt seinen Treffer zum 2:1 gegen den Werksclub Bayer Leverkusen. Bild: dpa

Sein deutsches Vokabular wächst in kleinen Schritten. Als Steve McClaren am späten Samstagabend erklären sollte, was von der 2:3 (1:0)-Heimniederlage seines VfL Wolfsburg gegen Bayer Leverkusen zu halten ist, griff der Brite aber zu erstaunlich vielen Adjektiven. "Unglaublich", "enttäuschend", "verrückt".

Was der Brite mit seinen deutschen Brocken formulierte, fasste eine sonderbare Partie der Fußball-Bundesliga bestens zusammen. Denn die Wolfsburger hatten dank ihrer Torschützen Diego (9. Minute) und Grafite (68.) schon wie der sichere Sieger ausgesehen. Aber sie hatten auf dem Weg zum Erfolg auch einen gewissen Simon Rolfes übersehen.

Die Deutungsversuche, warum die Wolfsburger im Duell der "Werkklubs" am Ende die schlechtere Arbeit abgeliefert hatten, fielen recht unterschiedlich aus. "Wir haben gemerkt, dass die nicht so sicher sind, nach hinten raus ging da noch etwas", meinte der Leverkusener Mittelfeldspieler Rolfes. Er war erst in der 70. Minute eingewechselt worden, stieg aber zum Helden des Abends auf. Zwei Tore des lange Zeit verletzten Nationalspielers (72./82.) und ein von ihm herausgeholter Elfmeter, den Arturo Vidal (74.) verwandelte, wirkten wie ein Wunder.

Während Rolfes versuchte, die Sache mit seinem Knorpelschaden, seinem unglaublichen Willen und dem Leverkusener Sprung auf den 3. Tabellenplatz zu erklären, stellten die Wolfsburger Gastgeber ihre eigene Mentalität in Frage. Der Hinweis von VfL-Verteidiger Sascha Riether, dass viele der Wolfsburger viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt seien, nahm sich aus wie ein selbstkritischer Tritt gegen das Schienbein der eigenen Mannschaft.

Wie man eine Führung verspielt und 30.000 Zuschauer im heimischen, ausverkauften Stadion gegen sich aufbringt, das hatten die Wolfsburger schon bei ihrer 3:4-Pleite Ende August gegen Mainz 05 geübt. "Wir müssen diese Wut jetzt mitnehmen und aus den Fehlern lernen", sagte Cheftrainer McClaren, der um seine Aufgabe nur bedingt zu beneiden ist. Einem ehrgeizigen Vorgesetzten wie Dieter Hoeneß zu erklären, warum eine sündhaft teure Mannschaft mit Offensivkünstlern wie Edin Dzeko, Grafite und Diego ins Stolpern kommt, ist ein undankbares Unterfangen. Dem Vorsitzenden der Wolfsburger Geschäftsführung war nicht gerade nach Späßen zu Mute: "Uns fehlt die Fähigkeit, sich bis zum Schluss zu konzentrieren", sagte Hoeneß. "Das ist jetzt schon mehrfach passiert."

Für das Niemandsland der Tabelle, daraus machen die Hauptdarsteller vom Mittellandkanal kein Geheimnis, ist diese Mannschaft viel zu prominent besetzt. "Das ist für unseren Anspruch zu wenig", fand etwa Grafite mit Blick auf seine internationalen Ambitionen. Der Brasilianer zeigte gegen die lange Zeit harmlos auftretenden Leverkusener ein richtig gutes Spiel.

Aber der Blick nach hinten, wo seine Kollegen in der Abwehr den Überblick verloren, vergrößerte den Ärger Grafites über die vielen vergebenen Torchancen nur noch weiter. Schließlich hatte Torhüter Marwin Hitz, der den verletzten Diego Benaglio vertrat, mit einem Fehler vor dem 2:1 die Wende eingeleitet. Den Rest besorgte Rolfes mit einer Mischung aus Cleverness und Eleganz, die den verwirrten Wolfsburgern in der Schlussphase abhanden gekommen war.

Mit Wut und Vehemenz

Vielleicht war es ein Missgeschick, vielleicht wollte er aber auch seinen Frust abbauen: Neben seinem Tor machte VfL-Spielmacher Diego in einem Zweikampf mit Arturo Vidal auf sich aufmerksam. Wie es der Brasilianer schaffte, im Fallen die Stollen seines Schuhs noch in Richtung des Gegenspielers zu bewegen, bleibt eine pikante Frage.

"Das hier ist Fußball und kein Schach", schimpfte VfL-Boss Hoeneß über die Vorwürfe gegen den reizbaren Diego. Die Wut und Vehemenz, mit der Hoeneß die bohrenden Fragen zu seinem polarisierenden Millioneneinkauf beantwortete, ließen erahnen, welchen Gesprächsbedarf der Chef der Wolfsburger mit Blick auf die Tabelle sieht.

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