Comeback des Ballflüsterers

TENNIS-WM Im ewigen Duell zwischen Roger Federer und Rafael Nadal um die Krone im Männertennis obsiegt diesmal der Schweizer. Dabei packt er die alten Zauberschläger aus und verzückt die Fans

LONDON taz | Er sprach von einem Sieg, der Gold wert sei fürs Selbstbewusstsein, und alles war in schönster Ordnung. Gut anderthalb Stunden zuvor hatte er im Konfettiregen in der Arena gestanden, als Triumphator des letzten Turniers des Jahres nach einem eindrucksvollen Auftritt im Finale gegen Rafael Nadal. Nun saß Roger Federer auf dem Podium, ließ das Jahr 2010 Revue passieren und wand ein buntes Geschenkband darum. „Ich bin glücklich, dass ich die Saison mit Stil vollendet und mir das Beste für den Schluss aufgehoben habe. Und Rafa im Finale besiegt zu haben macht daraus eine besondere Sache angesichts all der Erfolge, die er in diesem Jahr hatte.“

Nach diesem Sieg (6:3, 3:6, 6:1) sieht es fast so aus, als hätte es einen übergeordneten Plan für dieses Jahr gegeben. Federer gewann in Klasseform Ende Januar bei den Australian Open den 16. Grand-Slam-Titel und nun zum Abschluss in London den fünften beim ATP-Finale, Nadal schnappte sich nahezu alles, was in den Monaten dazwischen im Schaufenster lag. Nun sind die Gaben auf den ersten Blick nicht ganz gerecht verteilt, denn die Siege des Spaniers in Paris, Wimbledon und erstmals auch in New York sind definitiv der größere Teil des Angebots. Aber vielleicht liegt darin auch ein Grund dafür, dass wieder frischer Schwung in Federers Spiel kam.

Am Ende packte er, zur Freude aller Fans, die Zauberschläger wieder aus. Er verwöhnte sich und die Seinen mit makellosem Tennis mit Tempowechseln, Variationen, stufenlosen Übergängen und Mut zum Risiko. Gegner Djokovic war schwer beeindruckt und schwärmte: „Irgendwie scheint ihm jeder Ball zuzuhören.“ Nun ist das sicher keine Frage der Rückkehr zur alten Technik, denn so was verlernt man als Ballflüsterer ja nicht. Mitte September hatte Federer im Halbfinale der US Open unter anderem auch deshalb gegen Djokovic verloren, weil ihn nach ein paar schmerzhaften Niederlagen im Frühjahr und Sommer in entscheidenden Momenten das Selbstvertrauen und damit der Mut verließ. Exemplarisch dafür stand sein zögerliches Spiel mit der Rückhand, so gefährlich sein kurzer Slice bisweilen auch war. In London zeigte er wieder alle Variationen, eine besser als die andere.

Er habe aus seinen Fehlern in New York gelernt, sagt er. Man kann davon ausgehen, dass Paul Annacone bei diesem Lernprozess eine gewisse Rolle spielte, der im Sommer zum Team gestoßen ist. Der Amerikaner habe sich prima integriert und verstehe sich auch mit seinem langjährigen Berater und Freund Severin Lüthi gut, findet Federer. „Paul hat mir definitiv geholfen.“ Während des Finales saß Annacone wie immer beinahe regungslos auf der Bank, aber was er sah, musste ihm gefallen. Sein Mann dominierte von Anfang bis Ende wie lange nicht mehr gegen Nadal, und dass der nicht glatt in zwei Sätzen verlor, war nur dem Umstand geschuldet, dass sich der Schweizer ein einziges schwächeres Aufschlagspiel gönnte, das zum Verlust des zweiten Satzes führte.

„Ich sage, dass ich gegen einen sehr guten Roger Federer verloren habe. Wenn er so spielt, ist es ziemlich schwer, ihn aufzuhalten“, sagte Nadal. So geht das Jahr mit zwei Erkenntnissen zu Ende. Die erste: Federer ist Nadal wieder näher gerückt, unabhängig davon, was der Punktestand der Weltrangliste mit mehr als 3.000 Zählern Differenz sagt. Zweite Erkenntnis: Die beiden Besten gehen nach wie vor auf eine bemerkenswerte Art miteinander um. DORIS HENKEL