Frankfurter Fans wollen Meisterfeier stören: Letzte Ausfahrt Dortmund

Für Eintracht Frankfurt ist wohl Schluss mit der 1. Bundesliga. Vor dem letzten Spiel in Dortmund wächst die Angst vor Ausschreitungen. So wie beim letzten Heimspiel.

Das Spiel der Frankfurter gegen Dortmund gilt als "Risikospiel". Bild: dpa

FRANKFURT taz | Heribert Bruchhagen trug einen hellgrauen Pullover. Und darunter ein blütenweißes Hemd. Doch der frühsommerliche Look, in dem der Vorstandsvorsitzende der akut abstiegsgefährdeten Frankfurter Eintracht am Donnerstag zur Pressekonferenz erschienen war, konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass der 62-Jährige gerade Momente persönlicher Finsternis durchlebt.

Das Ritual des wertkonservativen Ostwestfalen, vor dem letzten Spieltag den Medienvertretern für die Zusammenarbeit zu danken, fiel ihm in acht Jahren Amtszeit noch nie so schwer wie zum Ende dieser Saison. "Die sportliche Tragweite führt dazu", flüsterte Bruchhagen. Und: "Es war eben ein beispielloses Jahr für die Eintracht."

Ein beispielloses schlechtes. Wenn nicht noch so etwas wie ein Wunder passiert, werden die Hessen sang- und klanglos absteigen, während Borussia Dortmund im eigenen Stadion die Meisterschaft feiert. Bruchhagen erinnerte in diesem Zusammenhang daran, dass sich die Eintracht mit dem Gegner an diesem letzten Spieltag noch vor nicht allzu langer Zeit auf Augenhöhe befand, "wir haben nicht nur das Hinspiel 1:0 gewonnen, sondern in der Vorsaison auch 3:2 in Dortmund."

Frankfurt: Die Eintracht hat die besten Chancen auf den direkten Abstieg in Liga zwei. Die Hessen sind seit sechs Spielen ohne Sieg. Ihre Rückrundenbilanz ist verheerend schlecht: Nur acht Punkte holte die Elf. Im Angriff hat sie die größten Probleme: Nur 30 Tore erzielten Gekas und Co. Außerdem: Die Fans sind so unberechenbar wie Trainer Christoph Daum.

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Gladbach: Seit der Schweizer Lucien Favre da ist, geht es bergauf. Jetzt wurde sogar Marco Reus ins Nationalteam berufen. Auch die Borussen müssen auswärts ran und beim HSV den 6. Sieg auf fremdem Platz einfahren. "Wir müssen versuchen, uns unsere positive Stimmung vor Augen zu führen", sagt Sportdirektor Max Eberl. Stimmung vor Augen führen? Na, wenn das mal gutgeht.

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Wolfsburg: Trainer Felix Magath verbreitet Angst und Schrecken. Er sät Zorn - und will Leistung ernten. Aber geht dieses Konzept auf? Oder darf der Werksklub auf Schützenhilfe von der Seelenverwandtschaft aus Hoffenheim hoffen? SAP und VW: Man kennt sich ja bestens aus dem DAX. (taz)

Doch Bruchhagen wollte damit gar keine trügerische Hoffnung verbreiten ("Wir haben nur Außenseiterchancen"). Sein erstes Anliegen bestand darin, den eigenen Anhängern ins Gewissen zu reden. Mit dem unnötigen Abstieg könnte sich der Vereinschef irgendwie arrangieren, nicht aber mit erneuten Verfehlungen der Eintracht-Fans.

Helmut Spahn, der Sicherheitsbeauftragte des Deutschen Fußballbunds, zählt deutschlandweit 2.000 bis 2.500 gewaltsuchende Fußballfans und darüber hinaus bis zu 7.000 Sympathisanten. Offensichtlich besonders viele, vor allem jugendlichen Alters, sind in Frankfurt beheimatet. Die 700 Fanklubs und die 8.000 Mitglieder der Fanabteilung sind zwar oftmals rührig und zumeist friedlich, aber sie wagen es eben auch nicht, das Wort gegen den radikalen und bisweilen gewaltbereiten Teil der Ultras zu führen.

Vorstandschef Heribert Bruchhagen und Vereinspräsident Peter Fischer haben die 8.000 Fans, die die Eintracht zum Saisonfinale nach Dortmund begleiten wollen, nun offiziell dazu aufgerufen, Vernunft walten zu lassen. Bruchhagen: "Eine Störung der Meisterfeier wäre der Super-GAU für Eintracht Frankfurt. Jeder muss Respekt davor haben und das Ansehen des Vereins auch im Falle des Abstiegs schützen."

Eingedenk der Auswüchse am vergangenen Samstag nach dem Spiel gegen Köln, als hunderte Randalierer die eigene Arena stürmten, heißt es in einer Presseerklärung: "Die Bilder nach dem Schlusspfiff haben vieles von dem Vertrauen und dem Image zerstört, dass sich Eintracht Frankfurt und seine Fanszene aufgebaut haben. Unser Ruf hängt daher am Samstag an einem mindestens ebenso dünnen Faden, wie die Hoffnung auf den Klassenverbleib …Wer meint, seinem Frust noch einmal mit Gewalt, Feuerwerk oder anderen Grenzüberschreitungen freien Lauf lassen zu müssen, der stellt sich gegen unsere Zukunft."

Der Appell kommt nicht von ungefähr. Wegen der Vorfälle nach dem Köln-Spiel hat der DFB-Kontrollausschuss Ermittlungen aufgenommen, dass Sportgericht indes noch kein Urteil gesprochen. Sollten frustrierte Anhänger erneut aus der Rolle fallen, dürfte sich das auf das Strafmaß erschwerend auswirken. Dann wäre eine Platzsperre, ein Geisterspiel oder ein Teilausschluss der Öffentlichkeit für die neue (Zweitliga-)Saison unausweichlich.

Nichtsdestotrotz planen die Ultras offenbar, die schwarz-gelbe Titelfeier in irgendeiner Aufsehen erregender Form zu beeinträchtigen, das verlautete aus Insiderkreisen. Dafür spricht auch der martialische Aufruf für die Fahrt nach Dortmund, der genau mit jenem Ausspruch überschrieben ist, der Eintracht-Präsident Fischer zur Beruhigung der erhitzten Gemüter am vergangenen Samstag am Stadionmikrofon entwich. "Dann schlagen wir eben den Scheiß-BVB!" steht nun auf der Internetseite der Frankfurter Ultras. Der Ausruf, für den sich Fischer längst entschuldigt hat, soll die Fans aufstacheln. Im Falle des Misserfolgs lässt dies nichts Gutes erahnen.

Große Aufmerksamkeit ist den Ultras und ihren möglichen Aktionen gewiss. Das Spiel und die anschließende Meisterfeier wird von mehr als 40 Kameras eingefangen und in 196 Länder übertragenen. Die Lage ist brisant, die Sicherheitsvorkehrungen wurden verstärkt, auch BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke äußert ernste Sorgen.

Hilft das massive Sicherheitsaufgebot? Klaus Lötzbeier, bei der Eintracht Fußball AG für die Fans verantwortliches Vorstandsmitglied, gab kürzlich zu bedenken: "Wenn wir zu viel Druck ausüben, schaukelt sich das hoch, und am Schluss gibt es nur noch Krach und Krawall." Klingt nach wahrlich düsteren Aussichten für den Frankfurter Abstiegsfall.

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