Das Schweigen der Uefa

SPORTPOLITIK Unter dem Eindruck der neuesten Entwicklungen um die inhaftierte ehemalige Ministerpräsidentin Julia Timoschenko wird im Bundestag über die Lage in den Gastgeberländern der Fußball-EM diskutiert

BERLIN taz | Vasyl Khymynets war nicht zu beneiden. Der Geschäftsträger der Ukrainischen Botschaft war am Mittwoch als Vertreter seines Landes in den Sportausschuss des Bundestages geladen. Hier musste er seinen Kopf für die bedenkliche Lage im Vorfeld der Fußball-EM hinhalten und musste dabei heftige Kritik von allen Seiten einstecken.

Die als Sachverständige anwesende Politologin Susan Stewart nahm in ihrer Analyse der Lage kein Blatt vor dem Mund. In ihrer Stellungnahme erklärte sie, für die ukrainischen Veranstalter sei das vorrangige Ziel der Fußball-EM „die persönliche Bereicherung der unmittelbar an den Vorbereitungen Beteiligten und deren Unterstützer“. Stewart beklagte die vielen verpassten Chancen in Bezug auf nachhaltige Verbesserungen der Lebensbedingungen. Mittelfristig hätten die Menschen nichts von der Europameisterschaft und auf lange Sicht kämen sogar neue Belastungen auf die Bevölkerung zu, weil das Turnier ein Loch in den ohnehin belasteten Staatshaushalt reiße.

Überraschend deutlich bezog auch der Deutsche Fußball-Bund Stellung. Generalsekretär Helmut Sandrock erklärte, der DFB setze sich für eine strikte Beachtung der Menschenrechte und der Meinungsfreiheit, den Schutz von Minderheiten und die Unabhängigkeit der Justiz ein. Gleichzeitig verwies er auf die Verantwortung der Uefa als Veranstalter des EM-Turniers im Juni.

Für Unverständnis bei Parlamentariern aller Fraktionen sorgte daher, dass sich die Europäische Fußball-Union trotz offizieller Einladung nicht im Stande sah, einen Vertreter in den Sportausschuss zu entsenden. Für Viola von Cramon, sportpolitische Sprecherin der Grünen, ist es „ein Skandal, dass die Uefa keine Stellung zur politischen Lage in der Ukraine bezieht“.

Noch verschanzt sich der europäische Verband hinter der proklamierten Trennung von Sport und Politik. Nicht mehr als eine Phrase, denn geht es darum, die positiven Auswirkungen des Turniers zu loben, trifft sich Uefa-Präsident Michel Platini gerne mit dem ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowitsch. Dann durchschneiden beide lächelnd Bänder und eröffnen wie vor einigen Tagen ein neues Flughafen-Terminal in Lwiw. Wird der Veranstalter der EM aber auf die Oppositionellen im Gefängnis und die Missachtung der Menschenrechte angesprochen, zieht sich die Uefa aus der Verantwortung. PETER DITTMANN