Vorsitzender auf Zeit

Zerstritten ist der Aufsichtsrat des Hamburger Sportvereins – und repräsentiert damit das, was der Verein ist. Es gibt die Supporters-Aufsichtsräte, Ritter der Basisdemokratie, die den Einfluss der Mitglieder schützen – vor allem, wenn sie ihrer Meinung sind. Es gibt die Wirtschafts-Fraktion um Ian Karan und Jörg F. Debatin, die wenigstens berechenbar sind. Und Jürgen Hunke, der sein eigenes Ding dreht.

Eines der Probleme des HSV ist, dass der Aufsichtsrat zu groß ist und häufig das, was intern bleiben soll, nach außen dringt. Bei der Hauptversammlung am 20. Mai schlug der Aufsichtsratsvorsitzende Ernst-Otto Rieckhof vor, das Gremium von zwölf auf sieben Mitglieder zu schrumpfen. Er bekam dafür zwar eine Mehrheit, aber nicht die notwendigen drei Viertel der Stimmen. Rieckhoff trat zurück.

Nachfolger wurde Alexander Otto, und der hätte wohl auch ohne den HSV keine Langeweile. Der Sohn des 2011 gestorbenen Versandhaus-Gründers Werner Otto ist Vorsitzender der Geschäftsführung beim Immobilienunternehmen ECE, hat eine eigene Sportstiftung, sammelt Bilder und brachte im Jahr 2004 eine bittere Scheidung hinter sich.

Die ECE Projektmanagement GmbH & Co. KG, gegründet von Vater Otto, entwickelt, vermietet und betreibt gewerbliche Großimmobilien. Sie gehört zur Cura Vermögensverwaltung, Holding-Gesellschaft der – Otto-Familie. Harvard-Student Alexander Otto ist außerdem Aufsichtsrat der Otto Group, der DES Deutsche Euro-Shop AG und Beirat der Peek & Cloppenburg KG.

Zunächst war der 45-Jährige nur bereit, den HSV-Aufsichtsrat bis Juni zu leiten: Die Aufgabe „beansprucht viel Zeit, die ich nicht wirklich habe“. Dann wurde er bekniet. „Der Zuspruch, den ich aus Verein und Aufsichtsrat erfahren habe und die große Chance zu mehr Geschlossenheit haben mich letztlich bewogen, trotz der hohen zeitlichen Belastung das Amt für eine Übergangszeit zu übernehmen“, teilte er mit. Seine Stellvertreter sind der Spiegel-Journalist Manfred Ertel und Eckart Westphalen. Im Herbst entscheidet Otto, ob er erneut kandidiert.

Neben dem Aufsichtsrat hat der HSV weitere Probleme: Imageverlust durch die stillose Abwicklung des Frauen-Bundesligateams, die schwierige Suche nach neuen Spielern, die lieber zu Gladbach, Leverkusen, Getafe oder Istanbul gehen. Der HSV hat kein Geld, das hat hat sich rumgesprochen. Spieler, die gehen sollen, damit andere kommen können, kriegen keine Angebote.

All das kann Otto nicht ändern. Er ist eloquenter als seine Vorgänger, er denkt, bevor er spricht, ist kein Choleriker, braucht den HSV nicht zur Bestätigung, ist unabhängig. Hält der Verein das aus?  ROR