Der Profi im Pullover

NACHRUF Er nahm sein Publikum so ernst wie den Sport: TV-Sportjournalist Harry Valérien ist tot

Wer Harry Valérien kennt, kennt womöglich auch Bernd Heller, Hanns Joachim Friedrichs, Karl Senne und Dieter Kürten. Es sind Moderatoren des „Aktuellen Sportstudios“ der Siebziger- und Achtzigerjahre, und zu ein paar von ihnen spuckt das Hirn sofort Assoziationen aus: Dieter Kürten, zum Beispiel, war einmal Krawattenmann des Jahres. Bei Valérien kommen sofort die Stichworte „gelber Pullover“ und die zwei Wörter Fernsehgeschichte, die er auf der Suche nach der richtigen Kamera aussprach: „Wosamma? Dosamma!“

25 Jahre lang hat Harry Valérien das ZDF-„Sportstudio“ moderiert, nur Kürten dabei (33 Jahre). Und es ist einerseits ungerecht, dass so viele Journalisten in ihren Nachrufen auf Valérien nun dieselben Bilder und Szenen aufrufen: gelber Pullover und „Wosamma?“. Valérien, der Wintersportexperte, der mehr als 40 Jahre lang über Sport berichtete, hatte eigentlich mehr als zwei Szenen in der Sportjournalismusgeschichte.

Andererseits sind es passende Oberflächenbeschreibungen eines Medienprofis, der in die Tiefe zu gehen verstand. Valériens bunte Pullover und seine bayerischen Einwürfe hatten einen Wiedererkennungswert, den herzustellen einfach nur professionell war. Man braucht solche Dinge, das gehört zum Medium Fernsehen. Und Valérien war professionell: Er wusste, dass er, wenn er eine Reportage machte oder eine Sportveranstaltung kommentierte, nicht für Fachleute arbeitete, sondern für ein breites Publikum.

Ein Publikum, das er gleichzeitig nicht mit ahnungslosen Vollpfosten verwechselte, die sich sowieso nicht für Analyse interessieren. Valérien betrachtete sportliche Wettkämpfe immer mit dem Blick für den Sport, nicht nur für ihren Unterhaltungswert. Er gehörte zu den Ersten, die im Fernsehen über Doping berichteten, seiner eigenen Aussage nach war es 1977. Er stellte niemanden bloß, ließ sich aber auch in Interviews nicht einlullen.

Harry Valérien war – auch deswegen wird er bleiben – eines der bekanntesten Gesichter des Mediums Fernsehen zu jener Zeit, als es auf seiner Blüte stand: Er war ein Kulenkampff des Sportjournalismus. Am Freitag starb er, 88-jährig, an Herzversagen.

KLAUS RAAB