FUSSBALLMANAGER HARRI HOENISCH
: Böser Roter, guter Roter

KULTURBEUTEL

ANDREAS RÜTTENAUER

Einfach ist sie nicht, die Münchner Farbenlehre. Nicht jeder Schwarze ist ein Roter, nur weil der ehemalige bayerische CSU-Ministerpräsident Edmund Stoiber in einem wichtigen Gremium des FC Bayern sitzt. Und nicht jeder Rote ist ein Blauer, nur weil der dauernde Münchner SPD-Oberbürgermeister Christian Ude bekennender Fan des TSV 1860 München ist und da auch mal in einem wichtigen Gremium saß. Zurzeit wird in München viel über die Liebe eines Roten zu den Roten diskutiert. Dieter Reiter, der Wirtschaftsreferent der Stadt, soll Nachfolger von Christian Ude als Oberbürgermeister werden, so will es die städtische SPD. Er ist so vernarrt in den FC Bayern, dass er gar nicht groß darüber nachdachte, eine Einladung des Klubs zum Champions-League-Finale in London anzunehmen und sich Flüge, Übernachtung und den Eintritt zum feierlichen Siegerbankett vom Champions-League-Sieger bezahlen zu lassen. Er wollte seiner großen Liebe einfach ganz nahe sein – und Uli Hoeneß, seinem Freund und Stammtischspezi.

Ja, auch das gibt es in München. Der rote Übervater Hoeneß, der ein glühender Verehrer der schwarzen Staatspartei ist und Edmund Stoiber anbetet wie andere im Freistaat nur die heilige Mutter Gottes, hat rote Busenfreunde. Dieter Reiter ist einer davon. Hoeneß will ihn auch im Wahlkampf um den Chefsessel im Münchner Rathaus unterstützen und interessiert sich einen feuchten Kehricht für das Anschneiden von dessen CSU-Konkurrenten Seppi Schmid bei der Abstimmung 2014.

Nun ist es noch nicht ganz gewiss, ob es ratsam ist, sich von einem Mann unterstützen zu lassen, über den in diesen Tagen nicht nur das Beste berichtet wird. Und so ist lange nichts mehr zu hören gewesen von der Stammtischfreundschaft Reiters zu Hoeneß, die noch im April mit der Gründung einer gemeinsamen gemeinnützigen Stiftung namens „Stiftung München“ in die Öffentlichkeit getragen wurde. Von der Einrichtung hat man nichts mehr gehört, seit bekannt geworden ist, dass das selbst ernannte soziale Monster Uli Hoeneß mehrere Millionen Euro am Fiskus vorbeigeleitet hat. Strafbar sollen jüngsten Vermutungen zufolge wegen verjährter Bescheißereien nur 900.000 Euro sein, was Hoeneß beinahe schon zum Bagatellsteuersünder macht. In der öffentlichen Wahrnehmung ist er längst auf dem Weg vom Steuerhinterzieher zum Steuernachzahler. Mehr Resozialisierung war selten, worüber sich ein Sozialdemokrat in München besonders freuen dürfte. Und vielleicht geht schon bald ein Wahlplakat in Druck, das den roten OB-Kandidaten mit dem Ober-Roten beim gemeinsamen Stammtischsitzen zeigt. Man darf wieder zeigen, dass man sich mag.

Und Hoeneß wird sich weiter feiern lassen für die Wohltaten, die er maroden Traditionsklubs gewährt, und damit angeben, wie viel Steuern er gezahlt hat. So wie es aussieht, werden ihm nicht wenige applaudieren. Undenkbar ist längst, dass der Präsident des FC Bayern wieder zur allgemein anerkannten Hassfigur im Lande wird. Dass er das einmal war, wird kaum jemand bezweifeln. Ein besonders eindrucksvolles Dokument des Hoeneß-Hasses ist 2005 bei Literareon im Herbert Utz Verlag erschienen. „Der Meister der Rache“ ist ein Krimi, in dem sich ein anonymer Autor mit der Bundesligameisterschaft 2001 beschäftigt, in der der FC Schalke 04 tätsächlich um ein Haar den Titel gewonnen hätte, wenn nicht ein gewisser Harri Hoenisch aus München die gesamte Schiedsrichterschaft bestochen hätte. Nachdem fast alle an Schalke-Niederlagen beteiligten Schiedsrichter nach der Saison umgebracht worden sind, fällt endlich auch ein Verdacht auf den Käufer der Münchner Nachspielzeitmeisterschaft – Harri Hoenisch. Als die Polizei an seiner Tür klingelt, sagt er: „Wollen Sie mich verschei… Würden Sie sich bitte ausweisen? Außerdem habe ich meine Rechte als unbescholtener Steuerzahler.“ Lustig liest sich das im Jahre 2013, und beinahe rührend ist der Schluss des Buches, in dem der FC Schalke 04 nachträglich seine achte Meisterschaft feiern darf.