Rückkehr eines Verstoßenen

FC BAYERN Kurt Landauer ist Klubchef, als die Roten 1932 Meister werden. Die Nazis vertreiben den jüdischen Kaufmann, der nach dem Krieg wieder Präsident wird. Jetzt wird sein Leben verfilmt

■ Das Leben: Landauer, geboren 1884 in Planegg bei München, spielte 1901 das erste Mal für den FC Bayern München. 1913 wurde er Präsident des Klubs. Der jüdische Kaufmann führte den Klub 1932 zur deutschen Meisterschaft. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde er im März 1933 aus dem Amt gedrängt. 1938 wurde er für zwei Monate im Konzentrationslager Dachau interniert. Nach seiner Entlassung floh er in die Schweiz. 1947 kehrte Kurt Landauer nach München zurück und war bis 1951 noch einmal Klubpräsident. Am 21. Dezember 1961 starb Kurt Landauer in München.

■ Der Film: Regisseur Hans Steinbichler dreht im Auftrag von BR, ARD Degeto und WDR bis Ende August im Ruhrgebiet, in Franken und in Oberbayern. Das Drehbuch für den Fernsehfilm stammt von Dirk Kämper, der als Buchautor für „Der Raketenmann – Wernher von Braun und der Traum vom Mond“ Erfahrung im Umgang mit historischen Stoffen hat. Für die Titelrolle wurde Sepp Bierbichler engagiert. Die Ausstrahlung ist für 2014 geplant.

AUS ESSEN HOLGER VIETH

Es war ein imposantes Zeichen gegen das Vergessen. Im Herbst 2009 zeigten Fans des FC Bayern in der Südkurve ihres Stadions ein gigantisches Transparent. Es zeigte Kurt Landauer, den ersten Präsidenten des Vereins, der die Meisterschaft mit den Roten gewann – lange bevor Franz Beckenbauer oder Uli Hoeneß die Geschicke des Vereins bestimmten. 1932 war das, kurz vor der Machtübernahme der Nazis, die für Landauer schwerwiegende Folgen hatte. Denn Landauer war Jude.

Nach jahrelanger Diskriminierung floh der angesehene Geschäftsmann ins Exil in die Schweiz. Dabei hatte er die Stadt nie verlassen wollen. Bis zum letzten Augenblick harrte er in München aus, obwohl die Nationalsozialisten ihn 1938 sogar zwei Monate ins KZ gesperrt hatten, aus dem er mit Glück wieder entkam. Dem bewegenden Leben von Kurt Landauer wird nun, mehr als 50 Jahre nach seinem Tod, ein filmisches Denkmal gesetzt. In Kooperation mit dem Westdeutschen Rundfunk und anderen Partnern produziert der Bayerische Rundfunk ein aufwendiges Historiendrama, dem Kritiker schon jetzt vorwerfen, es wolle auf der Erfolgswelle vom „Wunder von Bern“ mitreiten. Tatsächlich spielt der Fußball nur eine Nebenrolle.

Weil der Film aber nicht gänzlich ohne sportliche Szenen auskommt, hat sich die Crew dieser Tage beim TuS Helene Essen eingenistet. Im Stadion des Ruhrgebietsvereins, der seine baufällige Heimstätte ohnehin umbauen wollte, dürfen sie sich austoben, Tribünen einreißen, Requisiten aufbauen und Komparsen als Sechzger- und Bayernspieler über den Platz laufen lassen. Das Stadion habe sich gut geeignet, da in Bayern fast nur noch moderne Arenen stünden, sagt Produzent Michael Souvignier. Oder wie es ein Mitglied der Crew zusammenfasst: „Das Ruhrgebiet sieht dem Nachkriegsdeutschland heutzutage ja an vielen Orten sehr ähnlich.“

Stets am Set unterwegs ist Regisseur Hans Steinbichler, der das Pulk an Laiendarstellern lautstark choreografiert. Von ein paar Rückblenden abgesehen spielt der Film in Nachkriegsdeutschland, nach dem Ende der Herrschaft der NSDAP, während der fast die gesamte Familie von Landauer in Bayern ausgelöscht wurde. Vier seiner fünf Geschwister verlor er in diesen Jahren.

1947 entschloss sich Landauer, der im Film von Josef Bierbichler verkörpert wird, zurück nach München zu reisen – in das Land der Mörder seiner Familie. In eine völlig zerstörte Stadt. Eine Stadt, in der er eigentlich nur einen Zwischenhalt auf der Reise nach Amerika eingeplant hatte – die aber trotz allem seine Heimat war. Und so wird aus dem Zwischenstopp ein Daueraufenthalt. Zu stark ist seine Liebe zu einer alten Bekanntschaft, der er in München wiederbegegnet, und zu seinem Verein. Doch so wie früher wird es für Kurt Landauer nie wieder werden, obwohl er schnell wieder zum Vereinsboss des FC Bayern aufsteigt und dies bis 1951 bleibt.

Zu viel ist geschehen in den dunkelsten Jahren der deutschen Geschichte. Zu tief sitzen Verletzungen auf der einen und Schuldgefühle auf der anderen Seite. Genau in diesem Spannungsfeld bewegt sich der Film, der voraussichtlich im Herbst 2014 im deutschen Fernsehen zu sehen sein wird.

Weniger beleuchtet werden die frühen Jahre in Landauers Amtszeit bei dem Klub, die zeigen, woher der FC Bayern eigentlich kommt. Mit 17 Jahren, kurz nach der Jahrhundertwende, stand Landauer das erste Mal für den neu gegründeten FC Bayern auf dem Platz. Seine Mitstreiter waren Studenten, Kaufleute und andere Gebildete, die die allzu strikten Regeln der Turnvereine verachteten. Obwohl zutiefst bürgerlich, war er in seinen Anfangsjahren ein weltoffener und liberaler Klub, bei dem Kategorien wie Religion und Rasse keine Rolle spielten.

Mit dem jüdischen Kaufmann Landauer als Funktionär kam der Erfolg. Und der hatte System. So machte sich Landauer für eine stark internationale Ausrichtung des Vereins und eine gezielte Nachwuchsförderung stark. Eine Philosophie, die nicht allzu weit entfernt von der des FC Bayern im Jahr 2013 ist. Auch die Professionalisierung trieb er voran, etwa indem er zahlungskräftige Sponsoren an Land zog.

Als andere Vereine noch längst nicht so weit waren, lockte Landauer professionelle Trainer aus England und anderen Ländern, in denen der Sport eine erste Blüte erlebte, zum FC Bayern. Um die Jugendkader zu verbreitern, gestattete er es außerdem, dass die Betriebsmannschaften von jüdischen Kaufhäusern unter dem Dach des Klubs spielen dürfen. Doch nicht alle Phasen des Lebens von Kurt Landauer sind gut erforscht. Gerade private Anekdoten über ihn sind kaum überliefert. „Die Quellenlage ist leider sehr dünn“, sagt der Historiker Dirk Kämper, der das Drehbuch zu dem Film beigesteuert hat.

Doch so liberal und weltoffen der FC Bayern auch war. Bei ihm setzten sich die Nazis schließlich mit ihrer Weltanschauung durch. Zwar gab es viele, die die Ideale der Weimarer Republik auch bei ihrem Fußballklub bewahren wollten. Offener Widerstand gegen die NS-Schergen ging von den Vereinsmitgliedern aber nicht aus.

Obwohl der FC Bayern der 30er Jahre vergleichsweise unangepasst war und erst spät nazifiziert wurde, haben sich die Funktionäre lange Zeit schwergetan mit der Aufarbeitung der Klubgeschichte. So beschäftigt man sich in der Geschäftsstelle des Vereins erst seit kurzer Zeit mit der eigenen Vergangenheit. Obwohl es eigentlich für den Klub sprechen sollte, dass ein Jude ihn vor und nach dem Krieg führte, hatten die Verantwortlichen offenbar lange Angst davor, zu tief in der Historie zu graben.

„Da gab es Berührungsängste, weil man selbst zu wenig über die Vergangenheit wusste“, versucht sich Kämper an einer Erklärung. Dietrich Schulze-Marmeling veranschaulicht das in seinem Buch „Der FC Bayern und seine Juden“. Demnach herrschte beim FC Bayern bis zur Jahrtausendwende völlige Ignoranz, was die eigene Geschichte anbelangt. Was zählte, war nur der kurzfristige Erfolg. So musste sich eine Journalistin der in London ansässigen Totally Jewish nach der 0:3-Niederlage der Bayern gegen Lyon im Jahr 2001 von einem Klub-Angestellten anhören, dass ihn dieser „alte Scheiß nicht interessiert“, als sie sich nach Kurt Landauer erkundigte. Auch der amtierende Präsident Uli Hoeneß habe sich bereits einmal in ähnlicher Form geäußert, schreibt Schulze-Marmeling: „Ich war zu dieser Zeit nicht auf der Welt.“

So waren es die oft gescholtenen Mitglieder der Ultra-Gruppe „Schickeria“ und einige wenige kritische Wissenschaftler und Journalisten, die das Andenken an den 1961 verstorbenen Landauer wiederbelebt haben und die Verantwortlichen wohl mit dazu gebracht haben, vor wenigen Jahren einen Schritt nach vorne in Sachen Vergangenheitsbewältigung zu machen. 2009, zum 125. Geburtstag Kurt Landauers, besuchte Rummenigge die KZ-Gedenkstätte in Dachau und legte einen Kranz zu seinem Gedenken nieder. Er war es auch, der ankündigte, dass der Klub ab jetzt offener mit seiner Vergangenheit umgehen wolle.

An dem Film über Landauer beteiligt sich der FC Bayern jedoch nicht. Die Recherchen führte Kämper auf eigene Faust durch. Der Verein weiß jedenfalls von dem Filmprojekt. Produzent Souvignier sagt: „Uli Hoeneß freut sich auf den Film.“