Schützenfest und Erste Liga

AUFSTIEG Der SC Paderborn bereitet sich schon mal auf die Bundesliga vor. Doch auch wenn es der Klub tatsächlich schaffen sollte: Von der Champions League träumt hier keiner. Noch nicht

■ Lage: Nachdem der 1. FC Köln den Aufstieg perfekt gemacht hat, hoffen neben Paderborn noch die SpVgg Greuther Fürth und der FC Kaiserslautern auf einen Platz in der Bundesliga.

■ Coach: Paderborn war schon Station für bekannte Trainernamen. Roger Schmidt (bald Bayer Leverkusen) und Jos Luhukay (Hertha BSC Berlin) standen hier bereits an der Linie.

■ Erfolge: Dreimal spielte der SC Paderborn schon in der Zweiten Liga – 1982 bis 1985 noch als TuS Schloß Neuhaus, 2005 bis 2008 und seit 2009 wieder.

AUS PADERBORN FRANCOIS DUCHATEAU

Auf neonfarbenen Sportschuhen soll Mahir Saglik unterschreiben, bittet der Jugendliche im Bayern-Trikot den Toptorjäger der Zweiten Bundesliga um ein Autogramm. Es ist mehr los beim Training als gewöhnlich. Mehr los in Paderborn heißt, dass gut 50 Zuschauer den Übungseinheiten beiwohnen und Kinder, die an der Eckfahne den Ball hin und her treten, dem Teambetreuer bereits das Gefühl einer kleinen Belagerung geben. Doch wohin soll der Nachwuchs auch ausweichen? Die Jugendmannschaften des SC Paderborn spielen auf Grünflächen verteilt im ganzen Stadtgebiet, teils über eine halbe Stunde voneinander entfernt. Für eine Stadt wie Paderborn sind das Welten.

Die Paderkampfbahn ist der einzige Trainingsplatz für die Profis. Zentral gelegen, doch versteckt hinter ein paar Bäumen neben Blümchenwiesen im Park, auf der Studenten in der Sonne herumlungern. Leibchen, Bälle und Pylonen holt der Co-Trainer aus einer Garage im Hof, hinter dem Tor ist die Rutsche eines Spaßbades zu sehen, Anwohner geben mit ihren Rasenmähern ein Konzert. Zwar sind die Zeiten vorbei, in denen die Paderborner Kicker noch ein Ticket ziehen mussten, um nebenan ihr Auto zu parken und zum Duschen mit dem Teambus ins Stadion fuhren, doch „Luxus ist das nicht“, weiß Manager Michael Born.

Dass der Verein unter diesen nicht erstklassigen Bedingungen überhaupt an der Tür zum Oberhaus klopft, nennen Außenstehende ein Wunder. Von einem Wunder will an der Pader jedoch niemand etwas hören, denn Wunder lassen sich nicht erklären – der Werdegang des Vereins schon. Mit einem Budget von 6,2 Millionen Euro müsste der SC Paderborn eigentlich im unteren Drittel der Zweiten Liga rangieren.

Das Team besteht aus No-Names und Spielern, die woanders bereits abgeschrieben wurden. Süleyman Koç beispielsweise schoss den Verein vergangenes Wochenende gegen Sandhausen zum Sieg – und doch muss er einigen Fans lächelnd sagen, dass sie ihn heute schon zum zweiten Mal um ein Autogramm fragen. An Neujahr wurde der Deutsch-Türke, der für den Regionalligisten Babelsberg spielte, vorzeitig aus dem Gefängnis Berlin-Moabit entlassen, wo er wegen schweren Raubes eine mehrjährige Haftstrafe absaß. Paderborn verpflichtete ihn direkt. Nicht jeder Vereinspräsident ist bereit, so einen Schritt zu tätigen wie Möbel-Mäzen Wilfried Finke (63).

Auch Trainer André Breitenreiter entpuppte sich als gute Wahl. Der Exprofi, der im Sommer vom Drittligisten Havelse kam, lässt schnellen Angriffsfußball spielen. Mit 59 Toren stellt seine Mannschaft die beste Offensive der Liga. „Normal steht ein Verein mit gleichzeitig so vielen Gegentoren (47) nicht soweit oben“, sagt Mittelfeldspieler Alban Meha, doch vor allem in der Rückrunde wurde die inzwischen eingespielte Truppe für ihr Risiko belohnt.

Nie mehr Zweitverein

Im Oktober belegten die Ostwestfalen noch Rang 15, ein möglicher Aufstieg war in der Winterpause (Platz 9) noch undenkbar. „Mit dem Budget kann man so ein Ziel lang- oder mittelfristig auch nicht aussprechen“, sagt Born. Die anvisierten 40 Punkte waren schnell erreicht, doch statt die Saison abzuhaken, spielte Breitenreiters Elf einfach weiter. Die Mannschaft lacht und redet viel miteinander.

„Wir sind nicht Red Bull Leipzig oder Hoffenheim, die durch unglaublich hohe Investitionen mehrere Entwicklungsschritte überspringen konnten“, sagt Born. Die Fans akzeptieren Borns Politik der kleinen Schritte, und formulieren ihre Forderungen westfälisch selbstbewusst. „Bitte keine Relegation – Wir haben Schützenfest“, stand am Sonntag auf einem Plakat.

Bereits vor zwei Jahren unter dem zukünftigen Leverkusen-Coach Roger Schmidt stand der SCP auf der Schwelle zum Aufstieg, verspielte aber am letzten Spieltag den Relegationsrang. Doch erst jetzt erreicht die Fußballbegeisterung die Stadt Paderborn. Das merkt man nicht nur an den wachsenden Zuschauerzahlen. So viele Vereinsfahnen, wie sie mittlerweile die Einkaufsstraßen zieren, hat Michael Born noch nicht gesehen.

Lange hat sich Paderborn nicht mit seinem Fußball identifiziert, der SC ist schließlich trotz seiner Ursprünge im Jahr 1907 kein Traditionsklub, sondern es gibt ihn nach etlichen Fusionen und Umbenennungen in dieser Form erst seit 1985 und seit 1997 unter diesem Namen. In der Bischofs- und Universitätsstadt war der SC höchstens Zweitverein: Viele unterstützen in erster Linie große Vereine wie Borussia Dortmund oder konnten lange Profifußball auch beim Nachbarn Arminia Bielefeld sehen, der sich aktuell jedoch auf dem Weg in die Dritte Liga befindet. 2009 waren es noch 5.000 Anhänger, die den SC-Aufstieg in die Zweite Bundesliga feierten, diesmal rechnet die Stadt mit doppelt so vielen Gästen und Kapazitätsproblemen auf dem Rathausplatz, sollte die Sensation gelingen. Die Aufmerksamkeit, die Paderborn durch den Fußball derzeit erhält, sei mit keinem Marketingbudget zu bezahlen, sagt ein Sprecher der Stadt. 20.000 Studenten, ein Flughafen, Computer- und Automobilindustrie, doch erst ein Bundesliga-Aufstieg soll Paderborn helfen, sein Provinzimage endlich abzuschütteln. Allerdings verhindert ein Gerichtsbeschluss noch immer, dass im Stadion, der Benteler-Arena, nach 22 Uhr Fußball gespielt werden darf. Im Free-TV übertragene Montagsheimspiele der Zweiten Liga waren wegen des Protests einer Handvoll Anrainer deshalb tabu, Heimspiele am Freitagabend würden auch in der Bundesliga nicht möglich sein.

Charme ohne Größenwahn

Den Charme des Kleinen will Paderborn auch nach dem Aufstieg nicht ablegen. Etatmäßig sei es schon in der Zweiten Liga schwierig zu konkurrieren, sagt Born, „in Liga Eins ist es nahezu unmöglich“. Der durchschnittliche Erstligist verfügt über einen Gesamtetat von 47 Millionen Euro. „Selbst die Plätze 12 bis 18 hatten 2012/13 noch immer 25 Millionen Euro“, sagt Born. „Ob wir jetzt mit 12, 13, 14 oder gar 18 Millionen reingehen – das garantiert uns keinen Punkt mehr.“ Born und Breitenreiter wollen zum Großteil dem Kader vertrauen, der jetzt den Aufstieg schaffen kann. „Natürlich kann man vielleicht in anderen Regalen schauen, aber wir werden unsere Philosophie nicht auf den Kopf stellen“, sagt Born.

Den Sprung in die Bundesliga würde der Verein vielmehr nutzen, um sich gesundzustoßen. Verbindlichkeiten in Höhe von 3,6 Millionen Euro sollen getilgt und auch ein Trainings- und Nachwuchsleistungszentrum mit sechs Rasenplätzen errichtet werden. Die Benteler-Arena sei zwar so konzipiert, dass ein Ausbau leicht zu realisieren sei, doch vor Größenwahn glaubt der Manager seinen Verein gefeit. „Dazu muss es schon Ende der kommenden Saison eine zweite Sensation geben“, lacht Born.