Fotos vom Campingplatz: Eine enge und doch luftige Welt

Der Fotoband "Ein Stück Deutschland" von Frauke Schumann zeigt die kleine überschaubare Welt der Dauercamper - eine hermetische, für Außenstehende unzugängliche Idylle.

Zu perfekten quadratischen Platten zusammengefügt, wurden die Betonsteine in den Rasen eingelassen. Niemand muss mehr auf das Grün treten. Was nichts anderes heißt, als dass es ja niemand mehr wagen sollte, das Grün zu betreten. Denn die Welt, in die dieser schmale Betonpfad hineinführt, ist ein Ort, an dem Ordnung herrscht. Führt der Weg doch in die kleine, überschaubare Welt der Dauercamper, in einen Kunstraum im doppelten Sinne, wie Frauke Schumann mit ihrer fotografischen Langzeitbeobachtung "Ein Stück Deutschland" zeigt.

Es ist eine hermetische, für Außenstehende unzugängliche Idylle, die das Motto "Good fences make good neighbours" regiert. Und neben den Zäunen und den Hecken sind es vor allem die adretten Gardinen, die für gute Nachbarschaft sorgen, wie in den Bildern von Frauke Schumann deutlich wird. Für ihre Diplomarbeit im Bereich Kommunikationsdesign an der Fachhochschule Dortmund lebte die 1978 in Siegen geborene Fotografin selbst auf einem Campingplatz am Rande des Ruhrgebiets. Vier Monate lang, von März bis Ende August, belegte sie letztes Jahr mit ihrem Wohnwagen die Parzelle 4146 auf dem Gelände des Campingplatzes Hoher Niemen bei Haltern am See.

Nur auf diese Weise konnten die sensiblen Porträts der Campingplatzbewohner entstehen und die präzisen Detailaufnahmen, durch die wir Zutritt zu dieser uns unbekannten, luftigen und doch engen Welt voll symmetrisch geschnittener Hecken und immer frisch gestrichener Zäune erhalten. Und so entdecken wir plötzlich unter den gerne mit einem Hirschgeweih geschmückten Holzverschalungen die Wohnwagen, kleine Residenzen mit Strom und fließend Wasser, vor allem aber mit Vorbauten und Vorgarten; mit Satellitenschüsseln, Blumenrabatten und Paraden von grasgrünen Plastikgießkannen, streng nach Größe gestaffelt, versteht sich. Ganz unverblümt erzählt dieses Arrangement von dem strikten Reglement und dem Ordnungswahn, die hier herrschen und denen keiner entkommt. Und gleichzeitig lassen uns Frauke Schumanns Aufnahmen dieser Arrangements den bizarren ästhetischen Charme entdecken, der sich inmitten der allgemein akzeptierten Konformität herausbildet, der man doch in kleinen individuellen Schlenkern zu entkommen sucht.

"Überschaubar" heißt das große Stichwort an diesem Ort. Überschaubare Wege, überschaubare Nachbarschaften mit einem überschaubaren Lebensstil, sich einzurichten und sich zu bewegen, inmitten einer überschaubaren Natur, die von einer Sonne beschienen wird, deren Kraft sich ebenfalls in überschaubaren Grenzen hält. Und doch erzählt ihr Bilderbogen dann von einer verblüffenden, skurril überschießenden Vitalität.

"Ein Stück Deutschland" macht ohne weiteres deutlich, dass sich Frauke Schumann, die schon früh zu fotografieren begann, gleichermaßen für Menschen wie Orte interessiert. Am treffendsten wird sie dieser Faszination habhaft, indem sie über einen längeren Zeitraum hinweg und gerne in randständiger Position die Art und Weise beobachtet, in der sich die Menschen in ihren unterschiedlichen Rollen an unterschiedlichen Orten einrichten. Deshalb baut sie nun schon über einige Jahre hinweg ihre Mittelformatkamera immer wieder an den gleichen bekannten Touristenzielen in Frankreich, Italien und Deutschland auf, allerdings außerhalb der Saison. Und auch hier lässt die leise Melancholie, die diese Orte dann umgibt, noch immer die Lebensfreude ahnen, die hier gesucht und auch gefunden wird.

Mit diesen Bildern wird Frauke Schumann (www.fraukeschumann.de) in diesem Sommer in einer Einzelausstellung bei ihrer Berliner Galerie Degenhartt vertreten sein.

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