Homos, was seid ihr liesenhaft

BUDDYSHIP Können Heteros und Homos Freunde sein? Sie können. Und das fern aller Klischees

VON JAN FEDDERSEN

Nur eine vage Erinnerung ist da an unser Kennenlernen. Ein schöner Mann ist er gewesen und ist es noch. War aber nicht wichtig. Das Seltsame war nur: Diese starke Attraktion hatte nichts, gar nichts mit Sexuellem zu tun. Wir verstanden uns jedenfalls von der ersten Sekunde an. Keine Ahnung, ob, als unsere Freundschaft begann, Worte gewechselt wurden. Oder nur ein Blick. Eine Konferenz über Kunst im queertheoretischen Raum – irgend so eine Gewölk an akademisch angehauchten Aspirationen, die Weltgeltung beanspruchten. Guckten wir uns nur an, rollten, solidarisch verachtend, mit den Augen? Hatte es wirklich die Botschaft: Was für ein doofer Unfug ist das denn!

So fing es an. Wahrscheinlich. Es war eine Zeit der, nun ja, Verliebtheit. Kann man in eine neue Freundschaft verknallt sein? Ist möglich, dass ein Hetero und ein Homo Buddys werden, Kumpel in inniger Weise, weil die innere Verwandtschaft erkannt wird? Muss man Montaigne bemühen, um die selige Kraft des Freunschaftlichen zu preisen? Oder reicht es, wenn der Freund, der Christian heißt, sich als Freund prima, ja auch das, anfühlt?

Wir sind uns verbunden, das haben wir uns längst versichert. Man könnte sagen, wir schätzten gemeinsam eine Freundschaft, die sich den Erfordernissen der politischen Korrektheit gern entzieht. Anders gesagt ließe sich verraten, dass er all seinen, allerdings heiter vorgetragenen, Kummer über die neuen, feministisch durchwirkten Frauen vom Gemüt lästert.

Und meinerseits, dass er einer ist, bei dem man als Homo nicht sensibel, tragisch, opferig sein muss, nicht Ballett gut finden muss oder das Weiche, das Weibliche, das Gute, Wahre und Schöne. Nein, mit ihm kann ein Mann, der sexuell andere Männer begehren kann, aber nicht Frauen, über Männliches sprechen.

Über Mütter, die nicht lieb sind, über Väter, über Söhne und Kinder, über die Fußballbundesliga, über die Perlenkettenhaftigkeit der neuen Bürgerlichkeit nach grünem Gusto, über „Brokeback Mountain“, die „Sopranos“, den Holocaust, den Zeitgeistwahnsinn, alle Verletzungen gleich zu Traumata hochzurüschen, über jüdische Komiker in New York, über die fehlende Coolness der Sozialdemokratie als solche bitter klagen und über das Altwerden sprechen, und zwar in allem Hochmut, weil: Da müssen die Jungen erst mal hinkommen.

Aber das beschreibt es noch zu wenig. Klingt ja so, als ob wir dauernd miteinander schwatzten. Nee, das wär ja Mädchenkram. Oder die Liesenhaftigkeit von gewöhnlichen Homos. Viele Worte, viele Erklärungen, viele Lippenbewegungen für nichts. Nein, mit einem Buddy wie Christian muss meist nicht viel geredet werden. Es ist so, treffen wir uns, wie beim Angeln. Obwohl mir nichts sinnloser vorkommt als die Freizeitbeschäftigung, eine Leine an einem Stock ins Wasser zu werfen, auf dass ein Fisch in den Köder beiße, kommen unsere Treffen mir so vor. Wir sitzen dann da und schweigen. Manchmal gibt es ein Murren, eine flüchtige Bemerkung. Es reicht aber das gemeinsame So- und Dasein.

Wir angeln beide und zusammen, in den Gewässern unserer Existenzen. Wie sie sind, nicht, wie sie sein sollen. Das sind gelegentlich kalte Blicke, da werden beim Sprechen Ziele getroffen, die vorher nicht mal anvisierbar schienen. Insofern ist an uns zusammen nichts gemütlich, kuschelig. Buddys, das können keine vereinten Wolldecken gegen die Härten der Welt sein. Kumpel wie wir beide gucken sich die Welt an und sind sich sicher: Man wird sie gemeistert kriegen, und wenn nicht, wird es schon nicht so schlimm werden.

Unser Außen sind auch Filme, „No Country For Old Men“, sind Bekenntnisse der Endlichkeit von allem – und auch das allerdings bisweilen prustend ausgebrachte Lachen, es ziemlich gut im Leben getroffen zu haben. Denn, wie sagt Christian das immer, ein glattes Leben, in dem alles erklärbar ist, langweilt doch zu Tode.

Mit ihm, das will ich eigentlich sagen, schäme ich mich nicht, ein Mann zu sein, der eine gewisse Verschrobenheit an sich selbst mag. Ja, mit ihm habe ich sie erst zu mögen gelernt. Die Lust am Alleinsein etwa oder die, sich nicht dauernd für alles rechtfertigen zu müssen. Kauzig zu sein, eigenbrötlerisch, sich nicht rechtfertigen zu müssen – das macht mit ihm am meisten Spaß, wenn das Leben nicht so ernst wäre.