So entschleunigen Sie richtig

VORSÄTZE Falls Sie planen, in diesem Jahr nun wirklich etwas langsamer zu machen. Diesmal aber echt, ernsthaft. Hier 13 Tipps. Echt, ernsthaft

VON ULI HANNEMANN

1. Thermenbesuch

Aufguss. Liegen. Lesen. Aufguss. Liegen. Whirlpool. Liegen. Lesen. Limonade. Schwimmbecken. Liegen. Lesen. Letzter Aufguss. Liegen. Müde. Heimgehen. Schlafen.

2. Yoga

In der sonnendurchfluteten Fabriketage verbiegen sich vier Frauen und ein Mann. Eine Frau ist heute zum ersten Mal dabei. Sie trägt eine Feder im Haar, und als ich einen baldigen Wetterumsturz prophezeie, weist sie mich zurecht, ich verbreitete hier schlechtes Karma. „Karma, Schawarma“, reime ich gut gelaunt. Sie kommt nie wieder. Schade, denn Yoga entspannt und entschleunigt ungemein.

3. Aufs Meer blicken

Gleichmäßig rauschen die Wellen im Einklang für Auge und Ohr. Der Geist ordnet und beruhigt sich. Gedanken kommen und gehen wie die Wellen, immer unbeteiligter sieht man ihnen zu, und ehe man sich versieht, sind schon wieder drei Stunden vergangen. Die Strandbar ruft. Morgen gerne wieder.

4. Badewanne

Wer kein Meer (siehe 3.) hat, lege sich in die Wanne und sehe dem Spiel der Badeente zu.

5. Stuhlgang

Zeit für das absolut Wesentliche. Alles andere wird nebensächlich. Essenz des Daseins, Entspannung pur.

6. Kiffen

Ich weiß jetzt auch nicht. Gerade wusste ich noch, was ich an dieser Stelle schreiben wollte. Jetzt ist es irgendwie weg. Komisch. Worum ging es gleich noch mal? Egal.

7. Zugreisen

Seit Stunden fliegt draußen das Land vorbei. Es ist atemberaubend langweilig. Der Blick verschmilzt mit den welken Monokulturen, bis das Hirn gar nichts mehr denkt, höchstens noch „Scheiße, Scheiße, Scheiße ?“ Und dann auch noch Verspätung! Die Verdienste der Deutschen Bahn bei der Zwangsentschleunigung Millionen Reisender kann nicht hoch genug eingeschätzt werden.

8. Laufen

Fast erscheint es paradox: Entschleunigung durch Beschleunigung – wie soll denn das gehen? Doch in einer Welt, in der auch Entschuldung durch Verelendung und Frieden durch Krieg existieren, ist alles möglich. Michael Schuhmacher, Kurt Cobain, Ben Johnson haben es bewiesen: Schnell, schneller und – zack! – Stillstand. Der Hobbyläufer im Park erlebt das Phänomen ein wenig anders: Während unten die Beinchen emsig rattern, breitet sich oben im Kopf Gelassenheit aus. Stille, frische Luft, der Anblick sich tummelnder Eichhörnchen und Dealer (siehe 6.) sorgen für den alltäglichen kleinen Urlaub vom Stress.

9. Mit Luftpolsterfolie knacken

Knack. Knack. Knack. Knuck. Das war aber nix. Noch mal zurück. Knack. Ah. Je größer die Folie, desto größer die Entschleunigung.

10. Masturbieren

Ja, auch das kann man durchaus machen. Die Konsequenzen sind allerdings nicht ohne: Schuldgefühle, päpstliche Bannbulle, Rückenmarkserweichung, krumme Finger, Augenringe, unendliche Leere, seelische Verkrüppelung, Wahnsinn und Tod (sehr selten, das heißt weniger als ein Fall bei 10.000 Behandelten). Der Dopaminspiegel sackt ab wie der Fahrstuhl in einem Katastrophenfilm, wir entspannen uns, werden müde, sehr, sehr müde?

11. Downton Abbey

Die britische Adelsserie zum Abschalten, aber erst nachdem man sie gesehen hat. Harmonie pur. Oben wohnen die Reichen, im Keller wohnen die Knechte. Die Reichen fressen den ganzen Tag, die Knechte bedienen sie. Alle sind unheimlich lieb zueinander, bis auf die zwei Raucher. Ab und zu stirbt jemand, aber das ist auch nicht schlimm. Die Toten kommen in den Himmel. Sauna (siehe 1.) für die Seele.

12. Krankheit

Das Fieber verbrennt sämtliche Gedanken an Arbeit, Sorgen und Bedürfnisse. Ab und zu bringt Mutti Tee. Der Kranke darf schlafen, an einem ganz normalen Arbeitstag – ach, was heißt „darf“: Schlafen ist Pflicht, sonst wird er nie mehr gesund (siehe 13.).

13. Tod

Das ultimative Kranksein klingt zunächst unattraktiv, doch letztlich hält es auch die ultimative Entschleunigung bereit. Zumindest für die Ungläubigen, die von postmortal herumflatternden Engeln, tapsigen Jungfrauen oder einer für die ewige Ruhe viel zu überheizten Hölle verschont bleiben. „Das kühle Grab ist dem Atheisten, was dem Bequemen das dreiteilige Mullewapp © in Graubraun mit Récamiere ist“, bemerkte bereits Nietzsche gewohnt holperig.