Die Mutter der Maskottchen

HAUSBESUCH Stefanie Ludwig lebt von den Plüschtieren, die andere groß vermarkten

VON TOBIAS ROMBERG
(TEXT) UND HEINRICH HOLTGREVE (FOTOS)

Hagen am Teutoburger Wald. Zu Besuch bei der Maskottchenmacherin Stefanie Ludwig.

Draußen: Wenn „Horses & Dreams“ stattfindet, ist Hagen eine Hochburg des Pferdesports. Sonst ist der Ort im Osnabrücker Land eher für seine Kirschbäume bekannt. Tausend gab es hier mal. Jetzt sind es wohl weniger. Alle zwei Jahre gibt es ein großes Kirschfest. Dann trottet bei einer Parade auch das Kirschmonster, ein mannshohes, plüschiges Wesen, durch die Straßen.

Drinnen: Die 45-jährige Damenschneidermeisterin und Modedesignerin Stefanie Ludwig hat eine Nische für sich entdeckt: Maskottchen. Vereine, Unternehmen, Energieversorger wollen sie: das Fohlen von Borussia Mönchengladbach, das Zebra vom MSV Duisburg, einen runden Fußball-Pummel von Rapid Wien – in Hagen werden sie erschaffen. Adidas, Unicef, Mars, Teekanne, Pepsi – haben auch schon bestellt. In der Werkstatt geht es turbulent zu. Augen und Nasen liegen auf Tischen, es riecht nach Klebstoff, Bügeleisen zischen, Nähmaschinen rattern. Alles Handarbeit, alles individuell, nichts von der Stange. Drei Auszubildende, eine Festangestellte, drei Teilzeitbeschäftigte, zwei Jahrespraktikantinnen und zwei Schulpraktikantinnen. Mittendrin die Chefin.

Was macht sie? Stefanie Ludwig, seelenverwandt mit Pippi Langstrumpf und Alice im Wunderland, ist verspielt, detailverliebt – aber mit Geschäftssinn. Sie hatte 23-jährig die „Fachliche Ausbildungsschule für Damenschneiderei und Modedesign“ in Hannover abgeschlossen, nähte ab 1993 Kostüme für Travestie- und Zaubershows. „Dann brach ein Großkunde weg und die Maskottchen kamen einfach zu mir.“ Die Sache kommt ins Rollen. Und heute? Mehr als 500 Aufträge und Eigenkreationen wurden bisher realisiert. Ihr Jahresumsatz: 150.000 Euro. Weiche und fröhliche Teekannen, Tiere und Türme, in die Menschen schlüpfen können, von Hagen aus werden sie in europäische Länder verschickt. Kostenpunkt: bis zu 8.500 Euro. Stefanie Ludwigs Haus ist Wohnung, Werkstatt und Wunderwelt. Es wächst, hat mittlerweile auch einen Seminarraum, ein Ferienappartement, einen Veranstaltungssaal und eine Höhle im Keller.

Kirschmonsterhöhle: Kreischende und tobende Kinder purzeln hier durcheinander. In der Kirschmonsterhöhle und seit einiger Zeit auch in der Bummelfeehöhle feiern Kinder Geburtstag. Die Eltern blättern einige Euro hin, können zusätzlich Getränkepauschalen, Pizza und Küchenbenutzung buchen. Über der Höhle wartet ein kleiner Merchandising-Stand. Es gibt niedliche Bummeltaschen, kleine Kirschmonster-Stofftiere, Buttons, Shirts. Klassenausflüge mit Übernachtung sind auch möglich. Ludwigs elfjähriger Sohn führt gelegentlich Besucher umher. Auch bei den Großen leuchten die Augen.

Augen: „Die Augen sind beim Maskottchen das Wichtigste“, sagt Stefanie Ludwig. Bei Menschen wohl auch. Augen zeigen Emotionen: Freude, Begeisterung, Trauer. Sie fährt auf große, neugierige, ehrliche Augen ab. So sehen fast alle ihrer Maskottchen aus. Aber „die schönsten Augen unter den Menschen haben mein Sohn und meine besten Freunde.“ Schöne Augen wiederum hat ihr ein dänischer Kapitän, ihr derzeitiger Lebensgefährte, gemacht, der ein Forschungsschiff durch die Meere steuert.

Der Bus: Stefanie Ludwig steuert einen Bus durch die Welt, na ja, zumindest durchs Osnabrücker Land. „Ich habe den Bus gekauft und erst dann den Lkw-Führerschein gemacht.“ Das Gefährt hat sie zu einem mobilen Spieleparadies umgebaut. So ist der Bus ein idealer Werbeträger für die Maskottchenschneiderin. „Aber vorrangig ist der Bus für mich Freiheit. Ich brauche Freiheit, ich gebe Freiheit. Besonders gern den Kindern.“

Kinder: „Als Kind wollte ich unbedingt erwachsen sein. Ich fand die meisten anderen Kinder doof. Sie konnten mir nicht folgen, wollten immer nur spielen.“ Dennoch ist sie beliebt, Klassensprecherin, Bandenboss. „Ich habe die Silbersee-Bande gegründet“, sagt sie. Der Silbersee liegt zwischen Hagen und Hasbergen. „Ich war als Kind fast nur draußen.“ Sie liebt die Natur. Und Kinder. Heute zumindest. „Man wird ganz komisch ohne Kinder“, sagt sie.

Natur: Stefanie Ludwig, aufgewachsen im benachbarten Hasbergen, liebt die Region. „Das Osnabrücker Land ist einfach der schönste Spielplatz der Welt. Für Kinder und Erwachsene.“

Auszeichnungen: Der Hagener Bürgermeister nennt Stefanie Ludwig „hervorragender Imageträger für die Gemeinde“. Der Gedu-Verlag zeichnete sie im Rahmen der „Goldenen Künstlergala“ 2012 mit dem Preis „Künstlerin des Jahres“ in der Kategorie „Kreative Kostüme“ aus. Kirschmonster und Kostümschneiderin nahmen den Preis in Stuttgart entgegen. Postwendend gab es auch eine Medaille von der Gemeinde Hagen. Und das Bundeswirtschaftsministerium hat 2014 180 Frauen benannt, die „Vorbildunternehmerin“ sind. Stefanie Ludwig gehört dazu. Sie strahlt. Alles zusammen ist Glück.

Und wie findet sie Merkel? Sie möchte unbedingt einmal Ursula von der Leyen kennenlernen. Das habe aber nichts mit der Parteipolitik zu tun. Sie hat der Politikerin bei „Horses & Dreams“ auch schon einmal ein Kirschmonster-Stofftier geschenkt. „Da war sie noch nicht Verteidigungsministerin. Man kam leichter an sie ran.“ Die Kanzlerin würde sie auch gern treffen. Sie findet sie gut, weil sie keine „Fraufrau“ ist, sondern ihren Job macht, ohne permanent darauf herumzureiten, dass sie eine Frau ist. Vielleicht klappt es ja noch mit einem Treffen. Im März gab es eine Anfrage vom Bundestag, der ein Maskottchen hat, zumindest auf dem Papier: „Karlchen Adler“. Er sollte menschengroß und zu Plüsch werden. Der Bundestag hat die Idee aber erst einmal auf Eis gelegt.

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