Kommentar: Späte Modernisierung in der Sahara

Mauretanien schafft die Sklaverei ab - nicht aber unmenschliche Arbeitsbedingungen. Trotzdem ist die Modernisierung des muslimischen Landes bemerkenswert.

Mauretanien nimmt in der düsteren Geschichte der Sklaverei eine Schlüsselrolle ein. Hier nahm der europäisch-afrikanische Sklavenhandel 1444 seinen Anfang. Dass es erst jetzt, 2007, in Mauretanien zur offiziellen Abschaffung und Kriminalisierung der Sklaverei kommt, macht deutlich, wie unterschiedlich die sozialen Verhältnisse auf der Welt trotz Globalisierung immer noch sind.

Sklaverei in Mauretanien hat allerdings wenig zu tun mit dem Klischeebild von ausgemergelten Figuren, die in Ketten Zwangsarbeit auf Plantagen leisten. Es ist eine klassische Form der Leibeigenschaft, nach der eine Familie einer anderen gehört - und zwar in diesem Fall eine schwarzafrikanische Familie einer maurischen. In jeder Hinsicht haben die Besitzer die Verfügungsgewalt über ihr Eigentum, ob ökonomisch oder sexuell. Dies ist eine leidvolle und brutale Tradition, die nicht nur älter ist als der transatlantische Sklavenhandel, sondern diesem vermutlich sogar zugrunde liegt.

Mit einem darf die Abschaffung von Sklaverei allerdings nicht verwechselt werden: mit dem Ende unmenschlicher Arbeitsbedingungen. In sich ungestüm industrialisierenden Volkswirtschaften wie China kommen immer wieder Fälle von unvorstellbaren Ausbeutungsverhältnissen ans Licht, die dann zumeist als "sklavenähnlich" beschrieben werden. Meist ist es aber das genaue Gegenteil: Der Ausbeuter fühlt nicht die geringste Verantwortung für sein Opfer, das ja nicht einmal ihm gehört.

Dass es bis heute in Mauretanien Sklaven gibt, während das Land sich gleichzeitig in einem atemberaubenden Maße urbanisiert und modernisiert, konnte nicht mehr lange Bestand haben. Sobald ein Land das universelle Wahlrecht und eine Demokratie einführt, wie es in Mauretanien in den letzten zwei Jahren geschah, ist die traditionelle Leibeigenschaft nicht mehr zu legitimieren. Dies, viel mehr als internationale Appelle, hat den Bewusstseinswandel ermöglicht. Gerade in einem so streng muslimischen Land wie Mauretanien ist dies eine bemerkenswerte Entwicklung. Insofern ist es beispielgebend dafür, wie Modernisierungsprozesse ablaufen.

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