Kommentar Kindsmorde: Das Monster einhegen

Nach den Kindsmorden wird der Ruf nach staatlichem Schutz lauter. Aber wir müssen auch unser Mutterbild korrigieren.

Seit in den vergangenen Wochen wieder einmal dramatische Fälle von Kindesmord und -vernachlässigung durch die Medien gingen, wird der Ruf nach mehr staatlichem Schutz, mehr Eingreifen der Jugendämter und verpflichtenden ärztlichen Untersuchungen wieder lauter. Doch im Ruf nach mehr Staat allein lässt sich der Schrecken nicht einhegen. Die jüngsten Fälle von Plauen und Darry fordern auch dazu heraus, das in unserer Gesellschaft vorherrschende Mutterbild zu überdenken. Denn die Kindestötungen sind real. Das Bild der stets und immer "guten Mutter" aber ist es nicht.

Die böse, die aggressive, die mordende Mutter hat es immer gegeben. Doch diese Erkenntnis wird heute gerne verdrängt. Haben wir denn nicht Erziehungsberatungsstellen und alle Möglichkeiten der Verhütung, sodass doch nur noch "Wunschkinder" in Deutschland geboren werden müssten, behütet von ihren Eltern? Doch hier fängt der Denkfehler schon an. Denn das Böse, das Aggressive gibt es immer und überall - und natürlich auch in Frauen, die Kinder bekommen.

Wer sagt, dass Mütter nicht wahnsinnig werden und ihren Kindern damit Schaden zufügen können? Wer sagt, dass das tief greifende Erleben von Schwangerschaft, Geburt und Betreuungsstress in einer Frau nicht Labilitäten verstärken kann? Und was soll nun ausgerechnet Mütter dazu befähigen, ein selbst in der Kindheit erlittenes Unrecht nicht an ihren Nachwuchs weiterzugeben? Die Mutter wird in unserer Gesellschaft gerne als eine Art moralische Weißwaschanlage betrachtet, von der via Kraft der Natur nur Gutes kommen soll. Mit dieser Rolle wird sie allzu oft allein gelassen.

Es ist ein positiver Effekt der Debatte, wenn Stützsysteme entstehen, um dieses manchmal tödliche Mutter-Kind-Drama aufzubrechen. Immer mehr Nachbarn zeigen Kindesvernachlässigungen beim Jugendamt an, und das ist gut so. Mancherorts melden sich "freiwillige Paten" für Kinder in Problemfamilien - das sollte gefördert werden. Es ist besser, das "Monster" in Müttern einzuhegen, als es exorzieren zu wollen. Denn das Monster gehört zu uns.

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Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).

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