die taz vor 18 jahren über die katholische kirche und das ungeborene leben
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Wenn es den römisch-katholischen Oberpatriarchen um den Schutz des ungeborenen Lebens geht, ist ihnen kein Mittel zu perfide. Und nachdem sie auf der Gesetzesschiene nicht so schnell dorthin kommen, wo sie eigentlich hinwollen, nämlich zu einem völligen Verbot der Abtreibung, suchen sie sich eine andere probate Methode: den Psychoterror.

Die Bischofskonferenz hat nun beschlossen, zu exkommunizieren, wer eine Abtreibung vornimmt oder dabei mithilft. Unklar ist bisher aber noch, ob damit „nur“ die gemeint sind, die eine Schwangerschaftsunterbrechung machen, oder ob auch die Frauen, die sich einer Abtreibung unterziehen, als Mittäterinnen gebrandmarkt werden. Sicherlich meint der Rausschmiß auch sie.

Die Dimension dieses kirchlichen Verdikts mag vielleicht für die schwer zu ermessen sein, denen eine katholische Erziehung glücklicherweise erspart blieb. Schließlich bringt die bischöfliche Anordnung niemanden in den Knast. Wer aber mit den Ritualen der „heiligen Sakramente“ großgeworden ist, weiß, was es bedeutet, davon ausgeschlossen zu werden: ein soziales Stigma. Und die Abtreibung im Beichtstuhl einfach verschweigen? Wer so fragt, kennt das Prinzip und die psychologische Ventilfunktion der katholischen Beichte nicht. Wer sündigt, muß sich wenigstens bekennen. Ohne Konfession keine Vergebung, schon gar nicht für eine „Todsünde“ wie Abtreibung. Und wer lügt oder wissentlich seine Missetaten verschweigt, macht sich doppelt schuldig. Mittelalterlicher Mumpitz? Aber das Mittelalter lebt – für Millionen! Besonders in den Bollwerken des Katholizismus, wie zum Beispiel Italien. Zur Erinnerung: Die Vertreter Gottes auf Erden haben sich bisher stets hartnäckig geweigert, für den Schutz des geborenen Lebens ähnliche flankierende Maßnahmen zu verabschieden. Für Massenmörder und Mafiosi gibt es bisher keine Exkommunikation. Für sie gilt: Ego te absolvo.

Ulrike Helwerth, 25. 1. 1990