Kommentar Islamisches Recht in Englad: Angriff auf den Säkularismus

Fragwürdige Äußerung auf der Synode: Warum Rowan Williams, Erzbischof von Canterbury in England muslimisches Recht einführen will.

Nun hat er auch noch Öl ins Feuer geschüttet. Zwar entschuldigte sich Rowan Williams, Erzbischof von Canterbury und Oberhaupt der anglikanischen Kirche, vorgestern auf der Synode für mögliche Missverständnisse. Seine Meinung aber hat er nicht geändert: Es sei nicht nur unvermeidlich, sondern auch wünschenswert, dass für muslimische Familienangelegenheiten in Großbritannien das islamische Recht eingeführt werde.

Es wäre zu einfach, seine Äußerungen als die verwirrten Ansichten des Oberhirten einer sterbenden Religion abzutun. Es ist viel perfider. Was auf den ersten Blick wie eine freundschaftliche Geste an eine andere Religionsgemeinschaft aussieht, ist in Wahrheit ein Angriff auf die säkulare britische Gesellschaft. Williams ist von Mitgliedern seiner eigenen Kirche wegen seines vermeintlichen Liberalismus kritisiert worden. Doch Williams ist alles andere als liberal.

Seine Kernaussage ist, dass es für Gläubige ein Problem sei, den säkularen Gesetzen den Vorrang einzuräumen. Er schiebt den Islam vor, bei dem solche Kompromisse angeblich nicht vorgesehen seien. Williams macht daraus eine Tugend. Seine Botschaft lautet, dass die britische Gesellschaft von der Hingabe der Muslime an ihre Religion etwas lernen könne. Er verteidigt nicht nur den Islam, sondern den Glauben an sich, gegen den Vorrang der staatlichen Gesetze.

Dabei nehmen diese Gesetze durchaus Rücksicht auf religiöse Überzeugungen: So muss die kirchliche Adoptionsstelle keine Kinder an gleichgeschlechtliche Paare vermitteln, gläubige Ärzte müssen keine Abtreibungen vornehmen. Williams wünscht sich, dass solche Regelungen ausgeweitet werden, bis sie keine Ausnahmen mehr sind.

Was aber ist mit anderen Organisationen, die - nach Williams Worten - für "soziale Identität und persönliche Motivation" stehen? Zeugen Jehovas, Scientologen, die Tories, West-Ham-United-Fans? Wenn man unterschiedliche Gesetze und Justizsysteme für jede Gruppe schafft, bekämpft man nicht den Rassismus. Man institutionalisiert ihn.

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Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

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