Kommentare Finanzkrise: Selbstheilungskräfte des Steuerzahlers

Die Vorschläge, wie man sich aus der Finanzkrise manövrieren könnte, sind zahlreich. Aber mehr Kontrollen verhindern auch kein weltweites Desaster.

Und was folgt jetzt politisch aus der weltweiten Finanzkrise? Das ist zwar noch völlig unklar, aber an Vorschlägen fehlt es nicht. Eine kleine Auswahl: Die Banken sollen stärker mit ihrem Eigenkapital haften, sie sollen früher über Risiken informieren, die Bankenaufsicht soll ausgebaut werden, die Rating-Agenturen sollen nicht mehr privat sein. Irgendwie soll der Finanzmarkt also ganz, ganz transparent werden und desaströse Investitionsentscheidungen soll es auch nicht mehr geben.

Natürlich ist nichts gegen das Ansinnen zu sagen, Banken und Hedgefonds stärker zu überwachen. Nur dürfte es bei einem eher hilflosen Versuch bleiben. Denn jede Kontrolle braucht Kontrolleure, die nicht Teil des Systems sind. Die aber gibt es nicht in der Finanzwelt. Zwar ist die Bankaufsicht formal von den Banken getrennt, aber die Akteure denken doch sehr ähnlich. Immer wieder hat es sich gezeigt: Kaum werden die Börsen vom rauschhaften Optimismus erfasst, ignorieren auch die Aufpasser die nahe liegenden Probleme.

Was ein Papier wert ist, wie hoch ein Risiko ist, wird schnell subjektiv. Bei nüchterner Betrachtung hätte sich etwa der Aufsichtsrat einer deutschen Landesbank auch jetzt schon denken können, dass es doch seltsam ist, dass verbriefte Hypothekenkredite als bombensichere Anlage gelten, obwohl bekannt war, dass die Schuldner zu den Ärmsten der USA gehören. Aber die Banker haben es sich eben nicht gedacht. Und es ist sehr schwierig zu sehen, wie man sie zum Denken zwingen kann. Formale Kontrollregeln allein werden nicht reichen.

Ein Crash ist also nicht unwahrscheinlich - und der Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, sieht ihn bereits gekommen. Er glaubt nicht mehr an die Selbstheilungskräfte des Marktes und fordert daher, dass der Staat eingreift. Dagegen ist nichts zu sagen. Aber nur wenn ausgeschlossen ist, dass die Kreditinstitute erst ihre Gewinne privatisieren und dann die Verluste sozialisieren. Sobald eine Bank gerettet werden muss, gehört sie verstaatlicht. In Deutschland wirkt dies auf viele wie eine sozialistische Forderung - in den so kapitalistischen USA hingegen ist dies weitgehend unumstritten. Die Hilfe des Steuerzahlers ist eben nicht umsonst zu haben. ULRIKE HERRMANN

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.