Kommentar Globale Armut: Die entscheidende Dimension

Die schlimmste Armut bis 2015 zu beseitigen - da haben sich die UN viel vorgenommen. Versagen sie, könnte das an ihrem falschen Begriff von "Investition" liegen.

Ein großes Versprechen haben die Vereinten Nationen sich selbst und der Welt gegeben. Bis zum Jahr 2015 soll die schlimmste Armut beseitigt sein. Die Anzahl der absolut armen Menschen, die mit weniger als einem Dollar am Tag auskommen müssen, soll bis dahin um die Hälfte sinken. Wenn dieser Plan scheitert - die Zahlen der Entwicklungsorganisation Data und anderer Gruppen deuten in diese Richtung -, liegt das auch daran, dass die Politik einen falschen Begriff von "Investitionen" hat.

Wenn Investitionen im Rahmen der Staatsausgaben überhaupt eine Rolle spielen - meist steht ja der Konsum im Vordergrund -, fehlt eine entscheidende Dimension. Bei der Verwendung von öffentlichem Geld mit dem Ziel, spätere Wohlstandsgewinne zu erreichen, wird fast ausschließlich national gedacht. Bessere Straßen für deutsche Autofahrer, bessere Stromleitungen für deutschen Windstrom, bessere Schulen für einheimische Kinder - immer geht es darum, unsere Wettbewerbsposition auf dem Weltmarkt zu behaupten oder auszubauen. Eine globale Dimension des Begriffs "Investition" gibt es nicht.

In der Klimadebatte wird hier zögerlich umgedacht: Wenn weltweite Investitionen in eine saubere Energieversorgung heute unterbleiben, können wir in 40 Jahren keine Wohlstandsgewinne mehr erzielen. Die Kosten der Klimaveränderung würden unser Wirtschaftswachstum aufzehren oder, schlimmer, der Wohlstand würde abnehmen.

Doch auch das Unterlassen von Investitionen in die Reduzierung der globalen Armut wird künftig fatale Folgen haben. Milliarden Menschen fallen dann nicht nur als Verbraucher und Handelspartner aus. Der Süden wird auch Mittel und Wege finden, einen Teil des im Norden erwirtschafteten Wohlstandes für sich zu reklamieren. Wanderungsbewegungen sind nur ein bereits heute sichtbares Anzeichen, Kriege um Wasser, Land und Rohstoffe werden folgen. Wenn die Bundesregierung heute schon in Moskitonetze, Medikamente und die Millenniumziele investiert, finanziert und sichert sie unser aller Zukunft.

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Geboren 1961, ist selbstständiger Wirtschaftskorrespondent in Berlin. Er schreibt über nationale und internationale Wirtschafts- und Finanzpolitik. 2020 veröffentlichte er zusammen mit KollegInnen das illustrierte Lexikon „101 x Wirtschaft. Alles was wichtig ist“. 2007 erschien sein Buch „Soziale Kapitalisten“, das sich mit der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen beschäftigt. Bis 2007 arbeitete Hannes Koch unter anderem als Parlamentskorrespondent bei der taz.

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