Kommentar Rot-gelb-grüne Kritik an Bundesregierung: In den Ländern liegt die Kraft

Die Oppositionsparteien im Bundestag haben beim gemeinsamen Auftritt Schwarz-Rot Versagen vorgeworfen. Sie selbst haben in Regierungen auf Länderebene die Chance zur Profilierung.

Wie müssen die drei ihren Auftritt genossen haben. Die Parlamentarischen Geschäftsführer von Grünen, FDP und Linker traten gemeinsam auf, um der schwarz-roten Koalition nach 1.000 Regierungstagen vollständiges Versagen vorzuwerfen. Das haben die drei Oppositionsfraktionen zwar auch in den vergangenen drei Jahren oft getan. Nur hat dies selten jemanden interessiert. Zusammen aufzutreten aber bescherte ihnen endlich mal wieder die begehrten Bilder in der "Tagesschau".

Dabei ist die Ohnmacht der Partner wider Willen nicht vollständig. Auf Länderebene haben sie durchaus zugelegt, derweil die Volksparteien erodieren. Und dort mühen sich FDP, Grüne und Linke gleichermaßen, im noch ungewohnten Fünfparteiensystem ihren Platz zu finden.

Wo sie mitregieren, haben sie Gelegenheit, ihre Profile zu schärfen und sich von der entscheidungsschwachen und im Ungefähren laborierenden Koalition auf Bundesebene abzuheben. Ihre Chance besteht darin, jeweils als politische Marke erkennbar zu werden.

In Hamburg stehen die Grünen vor der Herausforderung, ihre Stammklientel trotz Koalition mit der CDU zu halten. Kommt das neue Steinkohlekraftwerk im Hafen? Wie weit dürfen die Ex-Alternativen der Union entgegenkommen? Von den Antworten kann die Bundespartei viel über künftige schwarz-grüne Bündnisse lernen. In Berlin zeigt die Linkspartei seit mehr als sechs Jahren, dass sie regieren kann. Dort verkneift sie sich Maximalforderungen eines Oskar Lafontaine und nutzt geschickt und pragmatisch Möglichkeiten, die Lage von finanziell Schwachen zu erleichtern. Trotz eines harten Sparkurses konnte Rot-Rot nach der Wahl 2006 weiterregieren.

Einzig die FDP hat kein Modellprojekt auf Landesebene. Aber niemand bezweifelt, dass die Liberalen notfalls mit SPD und Grünen könnten. Und die Ignoranz der Öffentlichkeit auf Bundesebene ließ sie nun sogar mit der Linken gemeinsam auftreten. Die politische Landschaft in Deutschland ändert sich - und die Kleinen erweisen sich dabei als experimentierfreudig. MATTHIAS LOHRE

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Schriftsteller, Buchautor & Journalist. Von 2005 bis 2014 war er Politik-Redakteur und Kolumnist der taz. Sein autobiographisches Sachbuch "Das Erbe der Kriegsenkel" wurde zum Bestseller. Auch der Nachfolger "Das Opfer ist der neue Held" behandelt die Folgen unverstandener Traumata. Lohres Romandebüt "Der kühnste Plan seit Menschengedenken" wird von der Kritik gefeiert.

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