Müssen wir wegen des Klimas auf Fleisch verzichten?

FUTTER Viele Menschen essen kein Fleisch mehr, weil dessen Produktion das Klima stark belastet. Übertrieben, meinen andere – und lassen sich ihr gutes Steak und das Brathähnchen weiter schmecken

Ja

Bärbel Höhn, 57, ist grüne Bundestagsabgeordnete und war NRW-Umweltministerin

Es gibt viele Gründe, weniger Fleisch zu essen! Experten empfehlen 300 bis 600 Gramm Fleisch pro Woche. Das wäre gut für die Umwelt und die Gesundheit. Die Fleischproduktion ist für rund 18 Prozent der Treibhausgase verantwortlich. Bis 2050 müssen wir auf der Erde klimaneutral produzieren, sonst werden wir den Klimawandel nicht stoppen. Da steht auch die Fleischproduktion auf dem Prüfstand. Ein zweiter Grund für weniger Fleischgenuss ist die Gerechtigkeit: Schon heute werden weltweit 30 Prozent der Ackerflächen für die Fleischerzeugung benötigt. Wenn die Menschen in China und Indien so viel Fleisch wie wir essen, werden wir die Menschheit nicht mehr ernähren können. Für das Einschränken des eigenen Fleischkonsums sprechen auch ethische Gründe: In Deutschland werden pro Kopf wöchentlich 1,7 Kilo Fleisch gegessen. Riesige Käfiganlagen und Schweinemastbetriebe mit zehntausenden von Tieren sorgen für den Nachschub. Der Tierschutz bleibt da häufig auf der Strecke.

Eckhard Wendt, 69, ist Chef der AG für artgerechte Nutztierhaltung

Obwohl ich bekennender Fleischesser bin, sage ich deutlich: Es muss weder morgens, mittags und abends, noch von Sonntag bis Samstag Fleisch und Fleischprodukte zu essen geben. Mir reicht ein kleines Stück Fleisch einmal alle 14 Tage allemal. Oder seltener, und hin und wieder etwas Wurst. Auch angesichts der über eine Milliarde hungernden Menschen sollten wir auf die horrende Vergeudung von Grundnahrungsmitteln auf dem Umweg über Nutztiere verzichten. Wer sich zum Beispiel an einem Imbiss allein an einem Masthähnchen satt isst, konsumiert dabei so viel zuvor verfüttertes hochwertiges Getreide und Soja, dass davon 10 bis 13 Personen vollwertig ernährt werden könnten.

Sebastian Zösch, 30, ist Geschäftsführer beim Vegetarierbund Deutschland

„Fleisch essen wird bald so verpönt sein, wie betrunken Autofahren“: Während selbst konservative Wissenschaftler wie der britische Chefökonom Professor Nicholas Stern derartige Prognosen aussprechen und sogar der Vorsitzende des Weltklimarates längst zum Vegetarier geworden ist, diskutieren viele taz-LeserInnen immer noch verzweifelt, ob man neben der Welt nicht doch noch das eigene Schnitzel retten könnte. Laut Berechnungen des Worldwatch Institute gehen über 50 Prozent des von Menschen verursachten Klimawandels auf den Konsum von Fleisch und anderen tierischen Produkten zurück. Fleisch essen gehört zu den klimaschädlichsten Gewohnheiten überhaupt. Wer klimabewusst leben möchte, sollte lieber nach vegetarischen und veganen Alternativen Ausschau halten statt nach billigen Ausreden zu suchen.

Nadile Dogan ist taz.de-Userin und hat online einen Kommentar zum Thema gepostetDefinitiv übersteht die Menschheit ihre Verdoppelung bis 2050 nur durch veränderte Essgewohnheiten. Mit einem fleischlosen Montag ist es meiner Meinung nach nicht getan. In Pakistan essen viele Menschen an zwei Tagen kein Fleisch, die meisten Armen höchstens ein Mal im Monat. Manchmal schaffen hohe Preise Vegetarier, aber in den nächsten Jahrzehnten werden viele Menschen in der sogenannten Dritten Welt mehr Geld zur Verfügung haben – und die werden auch Fleisch haben wollen. Bei einer Milliarde Chinesen und Inder kann das nicht gut gehen, denke ich.

nein

Wolfram Siebeck, 81, ist Gastronomiekritiker der Wochenzeitung Zeit

Verzichten? Das ist ein bisschen viel verlangt von den Müslis, die selber furzen wie die Wiederkäuer in Wyoming. Allerdings sollten wir auf Fleisch verzichten, das aus den abscheulichen Massentierhaltungen stammt: Schweine, die ihr kurzes Leben auf Betonrosten verbringen müssen und das Tageslicht nur auf dem Transport zum Schlachthof sehen. Hysterische Hühner, denen als Lebensraum ein Käfig von der Größe eines DIN-A4-Bogens zugemutet wird, gehören ebenso zu den Unberührbaren wie Kälber, die Muttermilch nicht kennen lernen dürfen, damit sie sich an die Analogmilch der Pharmaindustrie gewöhnen. Auf diese Elendsgestalten zu verzichten, sollte für qualitätsbewusste Esser selbstverständlich sein. Neben ethischen Bedenken gibt es auch ästhetische Einwände, etwa gegen Rindfleisch. Die riesigen, halbrohen Steaks aus der Steinzeitküche, und das, was Fast-Food-Firmen zwischen wattige Brotscheiben schieben, sind fleischgewordene Flüche, die unsere Esskultur in den Orkus schicken.

Hans-Michael Goldmann, 63, FDP, ist Vorsitzender im Agrarausschuss

Ein klares Nein! Mit einer Verteufelung von Fleischprodukten durch die Politik ist der Klimawandel nicht aufzuhalten. Das Spielen mit Verbotsszenarien ist reiner Populismus und schadet der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft. Fakt ist, dass seit 1990 durch eine effizientere Tierhaltung und Fütterung der CO2-Ausstoß in der Landwirtschaft um 22 Prozent gesenkt wurde. Kühe tragen in Deutschland umgerechnet nur 2 Prozent zur CO2-Belastung bei. Unsere Kühe sind also eindeutig keine „Klimakiller“. Die FDP wird den Menschen nicht vorschreiben, was auf ihre Teller kommt. Interessierte VerbraucherInnen können selbst auf ihre Ernährung achten. Auch für mich privat gilt: Eine gesunde und ausgeglichene Ernährung ist die Grundvoraussetzung, um meine physische und psychische Fitness im Einklang zu halten. Und dazu gehört auch die eine oder andere Mahlzeit mit Fleisch.

Jochen Dettmer, 49, ist Bauer und Geschäftsführer bei „Neuland“

Nein, aber weniger Fleisch essen! Die Forderung, die Tierhaltung abzuschaffen und Vegetarier zu werden, greift zu kurz. Wir müssen abwägen zwischen Klimaschutz, biologischer Vielfalt, Tierschutz und einen gemeinsamen Nenner finden. Ein klimaschonender Fleischkonsum ist möglich: indem man auf Soja aus Regenwaldgebieten verzichtet und heimische Eiweißträger verwendet. Kurze Wege müssen gesucht werden, gemäß dem Motto aus der Region für die Region. Wiesen und Weiden müssen als CO2-Speicher erhalten bleiben. Und man muss auf Rindermast in großen Feedlods verzichten. Diese Prinzipien führen zu einer Reduzierung der Tierhaltung und mindern die Klimabelastung. Dazu müssen noch einfache Kennzeichnungsregelungen kommen. Dann müssen wir nicht auf Fleisch verzichten, sondern weniger essen (ist auch gesünder), darauf achten, wo es herkommt, und mehr bezahlen, wie bei „Neuland“- und Biofleisch.

Jens Götze, 46, ist taz.de-User und hat einen Kommentar zum Thema online gepostet

Solange die EU nicht eindeutig Einfuhrstopps für Tropenhölzer verhängt, solange Palmöl-Plantagen für die Europäer der große Renner sind, solange die Deutschen Kohlekraftwerke bauen, so lange die „Formel 1“ fährt, solange die Verlegung des Güterverkehrs auf die Schiene gebremst wird … so lange esse ich auch Fleisch nach meiner Manier.