NICOLA LIEBERT ÜBER DIE VERWÄSSERTE FINANZMARKTREFORM IN DEN USA
: Yes, we tried

Die US-Finanzreform hätte eine Jahrhundertreform werden können, vergleichbar nur mit dem New Deal der 1930er Jahre. Hätte. Schon das Ergebnis des Vermittlungsverfahrens zwischen Senat und Repräsentantenhaus war nur mehr ein lahmer Kompromiss. Und dann wurden vor der Abstimmung im Repräsentantenhaus dem Tiger noch die Reißzähne gezogen. Die Bankenabgabe: gestrichen. Die Abtrennung bestimmter riskanter Geschäftssparten: teilweise aufgehoben. Beschränkungen der Spekulation der Banken auf eigene Rechnung: verschoben bis 2022 – und das in einer Branche, in der die Bonusausschüttung zum Jahresende auch schon das Ende des Planungshorizonts darstellt.

Welch grandioser Sieg für die Finanzlobby, welch tragische Niederlage für die Politik! Jetzt kann man erst richtig ermessen, was die Europaparlamentarier jüngst meinten, als sie den Einfluss der Lobbyisten und den Mangel an Gegenstimmen beklagten. Die Europäer täten spätestens jetzt gut daran, dem Hilferuf Taten folgen zu lassen – nicht nur, um weitere Finanzkrisen, sondern auch eine Krise der Demokratie zu verhindern. Denn wenn die Finanzwirtschaft die sie berührenden Entscheidungen sowieso selbst trifft, dann wird der Spruch von den Wahlen, die nichts ändern, gefährlich wahr.

Immerhin: Wenn der US-Senat den Gesetzentwurf nicht doch noch kippt, dann stehen am Ende eine Reihe sinnvoller Neuregelungen Das ist schon unendlich viel mehr als der vorauseilende Gehorsam der G 20, die auf ihrem Toronto-Gipfel lieber gar nichts beschloss, als irgendeinem Finanzzentrum Auflagen zuzumuten. Und mehr als die Untätigkeit der Bundesregierung. Hut ab also vor den US-Politikern: Sie haben es wenigstens versucht.

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