Kommentar Weibliche Gewalt: Nicht nur Männer sind Schweine

Häusliche Gewalt, die von Frauen ausgeht, ist bisher tatsächlich ein blinder Fleck, die männliche Opfererfahrung ein Tabu. Doch: Für anti-feministische Rhetorik gibt es keinen Grund.

Haben wir es nicht immer gewusst? Die Feministinnen übertreiben maßlos! Frauen sind genauso gewalttätig wie Männer, besagt eine neue Studie, durch die sich viele Männerrechtler bestätigt fühlen können. Und, noch gemeiner: Die männlichen Opfer werden gar nicht wahrgenommen! Ganz Übereifrige fordern deshalb mal wieder, Frauenhäuser am besten gleich ganz abzuschaffen.

Es wäre falsch, aufgrund dieser Debatte gleich die ganze Studie zu ignorieren. Mag sein, dass sie eine fragwürdige Symmetrie behauptet. Ist Anschreien so schlimm, wie seinen Partner zusammenzuschlagen? Kann man eine Prügelei auf der Straße mit Ohrfeigen von der Ehefrau gleichsetzen? Einfach wegwischen lassen sich die Befunde aber nicht. Denn: Häusliche Gewalt, die von Frauen ausgeht, ist bisher tatsächlich ein blinder Fleck, die männliche Opfererfahrung ein Tabu. Aber warum ist das so? Weil das Klischee sagt: Frauen sind passiv, Männer aktiv. Deshalb werden Frauen eher als Opfer, Männer eher als Täter gedacht. Weibliche Gewalt war bisher weitgehend unsichtbar, weil sie als "unweiblich" galt. Nun zeigen die Zahlen, dass unsere Vorstellungen von Weiblichkeit und Männlichkeit falsch sind. Das ist gut. Denn wenn Männer auch mal Opfer sein dürfen, müssen sie sich nicht als Täter aufspielen.

Es hilft aber wenig, die einzelnen Opfererfahrungen gegeneinander aufzurechnen. Frauen sind weiterhin Opfer schwerer Gewalt, deshalb brauchen sie Schutzräume - und Männer brauchen solche Schutzräume auch. Die selbst ernannte "Männerministerin" Kristina Schröder wird man daran messen müssen, ob sie sich dafür engagiert - und damit ein patriarchales Männerbild infrage stellt. Oder ob sie bloß, wie bisher, auf billige antifeministische Rhetorik setzt.

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Jahrgang 1968, ist seit langem Redakteurin für Geschlechterpolitik in der taz und im kulturradio vom RBB. Von ihr erschien unter anderem das Buch „Der Kopftuchstreit. Das Abendland und ein Quadratmeter Islam“. 2009 wurde sie mit dem Preis „Der lange Atem“ des Journalistenverbands Berlin Brandenburg für die Berichterstattung über Geschlechterstereotype ausgezeichnet.

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