Wir treffen uns beim Chinesen

Die Chancen, dass wir die nächsten zehn Jahre mit guter Laune erleben, stehen nicht so schlecht. Nur ein kleines Nicken trennt uns davon, unseren Frieden mit der Neuverteilung der Welt und der Evolution zu machen. Wir werden keine Rolle mehr im Rattenrennen um die Weltmacht spielen, und was soll daran schon schlimm sein?

Unsere Städte sind zu voll, die Landschaften zugebaut, die Atomzwischenlager explodieren, man soll doch gehen, wenn es am schönsten ist. Die Verhärtung der Fronten, diese Wut, das Gefühl, etwas bewahren zu müssen, das doch nicht mehr existiert, wie furchtbar albern ist das gewesen. Brauchen wir eine Pisa-Studie, um zu begreifen, dass die Zukunft asiatisch ist? Während wir im Westen mit ebenso verzweifelten Arabern rangeln, uns schubsen, um zu schauen, wer zuerst in die Grube fällt, programmieren asiatische Kinder das Weltall. Das ist in Ordnung, wir gehen doch alle gerne zum Chinesen essen und zum Thailänder ficken. Ob in Zukunft thailändische Großväter deutsche Frauen vergewaltigen?

Die deutschen Rentner nennen es anders, sie reden von: Wir haben viel Spaß miteinander –und meinen damit sich und die vierzig Jahre jüngere, fünfzig Kilo leichtere und von ihrem Vater an ein Bordell verkaufte Frau aus Pattaya. Werden wir Horden von lauten chinesischen Touristen unsere Landschaften gerne für den Urlaub zur Verfügung stellen, Hochhäuser bauen am Ammersee, Hotelgelände, das wir mit Stacheldraht umzäunen, um es vor den Hunger leidenden Bayern zu schützen?

Egal. Es wird gut, wenn wir uns nicht mehr wehren. Intellektuell sind wir schon nicht mehr da. Wir haben Angst, wir sind politisch korrekt, wir scheißen uns ein vor Angst, wir hassen uns, wir freuen uns, denn wir wehren uns nicht mehr, gegen was auch, wir sterben aus, dann hat es Ruhe. SYBILLE BERG

Sie lebt in Zürich und publizierte 2009 „Der Mann schläft“ (Hanser).