Thema der Woche

Das Attentat in Norwegen und die Folgen

■ betr.: „Die Angst der Muslime“, taz vom 28. 7. 11

„Islamophobie“. Geradezu ein Modewort in der taz!

Ich möchte von „meiner Zeitung“ gut informiert, aber nicht indoktriniert werden. Ich kann selber denken. Bitte nehmt den ausgestreckten Zeigefinger wieder zurück! Eine solide Auseinandersetzung mit „dem“ Islam, seinen Schattierungen, seiner Geschichte, seiner Tradition, seinem tatsächlichen Einfluss in muslimischen Ländern heute und in den diversen Religionen vermisse ich bis heute. Wie wäre es einmal mit einer seriösen Reihe Informationen von Fachleuten, ohne Erziehungsanliegen? BIRKE GRIESSHAMMER, Nürnberg

■ betr.: „Die These vom einsamen Spinner“, taz vom 25. 7. 11

Islamophobie als Tatmotiv? Das greift zu kurz. Sein Angriff richtete sich gezielt gegen die sozialdemokratisch geführte Regierung und gegen den Nachwuchs der norwegischen Arbeiterpartei. Und von wegen harmonische norwegische Gesellschaft: Bei einem Stimmenanteil von 22,9 % für eine rassistisch argumentierende Partei sehe ich gesellschaftliche Widersprüche und Versäumnisse. Die Sozialdemokratie sollte sich eine Strategie überlegen, wie Einwanderungspolitik offensiv vertreten werden kann, und gleichzeitig einen klaren Trennungsstrich zum rechten Populismus ziehen. HORST WERNER, taz.de

■ betr.: „Norwegen muss sich unbequemen Fragen stellen“, taz vom 27. 7. 11

Es fällt auf, dass die zu Worte kommenden Fachleute, zum Beispiel die Kriminalpsychologin Roshdi und die Skandinavistin von Schnurbein, eine Menge offene Fragen haben und sich keineswegs zu der von KommentatorInnen bevorzugten Schwarz-Weiß-Einordnung in der Lage sehen.

PolitikerInnen und KommentatorInnen, rechts oder links, eint hingegen die Schnelligkeit ihrer Schlussfolgerungen. Die einen sind sich sicher, dass die innere Sicherheit versagt hat und aufgerüstet werden muss. Die anderen haben bereits die mittelbaren Beförderer der Tat identifiziert, nämlich die islamfeindlichen Meinungsmacher. Ein Innehalten geht gar nicht. Bad news are good news, auch wenn die Toten noch nicht begraben sind. Die schnelle politische Positionierung und Instrumentalisierung sind vorrangig. Der erhobene Zeigefinger, die schnelle Schuldzuweisung sind offensichtlich eine zu große Versuchung und hierzulande der erste Reflex, rechts wie links.

Eine gründliche Analyse des Manifests des mutmaßlichen Täters wird erfolgen und braucht sicherlich Zeit. Vielleicht bestätigen sich die Schnellbewertungen der KommentatorInnen. Naheliegend ist aber, dass in der zurückliegenden kurzen Zeit nicht einer der zu Worte kommenden KommentatorInnen sich das über 1.500-seitige englischsprachige Schriftstück substanziell aneignen konnte, auch wenn dies suggeriert wird. Man verlässt sich offensichtlich auf ein schnelles, an Schlüsselbegriffen ausgerichtetes Querlesen oder aber auf das, was in anderen Medien hierüber verbreitet wurde. Die Möglichkeit von Fehldeutungen aufgrund eines solchen oberflächlichen beziehungsweise selbstreferenziellen Journalismus liegt auf der Hand. LINUS BLAU, Bonn

■ betr.: „Polizeilicher Größenwahn“, taz vom 25. 7. 11

Bernhard Witthaut [Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei; d. Red.] scheint ein Kenner des Konzepts des Overton-Fensters zu sein. Hierbei fordert man eine recht absurde Sache (etwa die Vorratsdatenspeicherung) und wenig später eine völlig absurde (die krude Datei). Und schon erscheint die erste Idee im Vergleich relativ vernünftig.

Besonders zupass kommt ihm dabei, dass der Attentäter in Norwegen aus dem Nichts gekommen zu sein scheint. Jedenfalls stellen es relativ viele Medien so dar. Allerdings hatte Breivik in der Vorbereitung des Bombenanschlags (legal) tonnenweise Stickstoffdünger gekauft und war (legal) im Besitz einer automatischen Waffe.

Ersteres würde in Deutschland ganz ohne krude Datei die Alarmglocken bei den entsprechenden Stellen läuten lassen, Zweiteres wäre schlicht nicht möglich.

Witthaut vergleicht also bewusst Äpfel mit Birnen, nutzt die diffuse Angst vor Terror und fordert kompletten Nonsens, um etwas weniger kompletten Nonsens als vernünftig erscheinen zu lassen. Ist das noch krude oder schon gefährlich?

CARSTEN POSINGIES, taz.de

■ betr.: „Innenminister entdeckt die rechte Gewalt“, taz vom 28. 7. 11

Es ist mir nur schwer erträglich, dass die Öffentlichkeit mit derartigen Polemiken zugemüllt wird, wie mit Minister Friedrichs unsäglicher Gleichsetzung von „nationalen Autonomen“ und „Linksextremisten“ (wer ist das?). In diese Art manipulativer Polarisierung passt der Dresdener Handyskandal hervorragend als Beleg für die Ernsthaftigkeit der offiziellen Besorgnis nach den Geschehnissen in Norwegen. Deutlich wurden und werden da die GegnerInnen der Nazis kriminalisiert, während die heimischen Rechtsterroristen sich weiterhin unbehelligt – und sogar von den Staatsorganen behütet – einen Sport daraus machen dürfen, AsylbewerberInnen oder/und ihre Unterkünfte „auszuräuchern“ und gelegentlich auch mal SympathisantInnen der „Ausländer“ „hinzurichten“, als wäre das eine hoffähigere Variante von Terror als Breiviks „Amoklauf“ … In den linken Szenen real: Fehlanzeige. Kein Bankier oder Generalbundesanwalt muss mehr um sein Leben fürchten. Und postpubertäre Kreuzberger SteineschmeißerInnen taugen ja wohl eher nicht als Urbild linken Terrors, obwohl sie nun in Ermangelung echter Bedrohungen dafür herhalten müssen. P. KOLDITZ, Marburg

■ betr.: „Alles ist gefährlich“, taz vom 26. 7. 11

Abgesehen von dem widerlichen „Scherz“ mit dem KZ von Autonomen teile ich mit dem Autor seine Kritik an dem Extremismus-Topos. Aber mit dem Thema sind wir damit wohl noch lange nicht durch: B. hat in klassischer Weise seinen Anschlag und sein Massaker als „Propaganda der Tat“ aufgezogen, ein langes „Manifest“ verbreitet, um sie zu erklären. Er will als „Kriegsgefangener“ im „Widerstand“ angesehen werden. Allerdings stimmt er – wenn die Berichte richtig sind – zu, seinen Geisteszustand untersuchen zu lassen, sein Verteidiger erklärt ihn für geisteskrank. Das hätten die RAF-Leute nie gemacht beziehungsweise zugelassen. ECKART BEHM, Bremen

■ betr.: „Linke Versäumnisse“, taz vom 26. 7. 11

Für dieses Attentat sind wir alle verantwortlich. Insbesondere die Leute, die ihr rechtspopulistisches Gedankengut unters Volk gebracht haben. Aber genauso sind wir alle schuldig, die diesen ausländerfeindlichen Parolen öffentlich nicht deutlich genug widersprochen haben. Dadurch entstand nämlich der Eindruck, dass die Parolen allgemein akzeptiert und gültig wären. Das rechtspopulistische Gedankengut ist das, was den Täter zu seinem Amoklauf motiviert hat. Es ist die Basis für sein Handeln gewesen … Jetzt sollten wirklich alle aufwachen und diese rechtspopulistischen Narren öffentlich in die Schranken weisen. Sarrazin, NPD … SLOBO, taz.de

■ betr.: „Polizeilicher Größenwahn“, taz vom 26. 7. 11

Diesem Kommentar von Christian Rath kann ich nur beipflichten. Die Forderung von GdP-Chef Witthaut nach einer Datei für auffällige Personen scheint sich aus einem ähnlichen Allmachtswunsch zu speisen wie dem eines Attentäters, der angeblich „Gott erklärt hat, er müsse ihm zum Sieg verhelfen“.

Außerdem: Ist die Polizei unfehlbar? Wird Hinweisen auf geplante oder vollzogene Verbrechen immer konsequent nachgegangen?

Bemerkenswert dagegen die Haltung der norwegischen Staatsführung, die einen Angriff auf die offene Gesellschaft eben nicht mit deren Abschaffung zu beantworten intendiert. Das hat weder mit Ignoranz noch mit Leichtsinn zu tun, sondern mit Würde.

FRANK PÖRSCHKE, Hattingen

Während in Norwegen nach den Attentaten in Oslo und auf Utøya noch getrauert wird und man sich Zeit lassen will mit Ursachenforschung und Lösungen, werden in den bundesrepublikanischen Medien, vonseiten der Politiker und Polizeiorganisationen schnell Schlussfolgerungen gezogen und Schuldige ausgemacht. Wer außer dem Attentäter ist noch verantwortlich? Was kann getan werden, um in Zukunft derartige Gewalttaten zu verhindern? Wie gehen die Norweger, wie gehen wir mit dem Geschehen von Freitag vergangener Woche um?

Jeden Tag seitdem berichtete, analysierte und kommentierte die taz die Vorgänge in Norwegen und hierzulande. Und unsere LeserInnen wiederum kommentierten online und per E-Mail-Zuschriften an die LeserInbriefredaktion das Geschehen und die Berichterstattung der taz. Hier eine kleine Auswahl.