Kommentar Börsenkurse: Der Crash ist keine Nachricht

Wer wissen will, wie sich die Wirtschaft demnächst entwickelt, sollte besser nicht auf die Börse blicken. Es gibt bessere Konjunkturindikatoren.

Ist jetzt "Crash" - oder doch nicht? Das wollten die deutschen Börsen am Dienstag nicht entscheiden. Die Aktienkurse kletterten, sanken, kletterten, sanken wieder. So wankelmütig stellt man sich einen "Börsenabsturz" nicht vor. Wo bleibt der freie Fall?

Offenbar ist er vorerst abgesagt. Aber eigentlich ist sowieso uninteressant, ob es zum Börsen-Crash kommt. Es gehört zwar längst zum kulturellen Allgemeingut, dass Börsenkurse wichtig sein müssen. Schließlich wird täglich vor der "Tagesschau" erläutert, wie die Aktien stehen. Doch damit werden diese Papiere absurd überbewertet. Die landläufige Vorstellung ist falsch, dass die Weltwirtschaft zusammenbricht, wenn die Aktienkurse nach unten zeigen. Die Produktion bei Daimler oder Bayer läuft weiter, auch wenn ihre Aktien nachgeben.

Wie folgenlos ein Crash sein kann, war ab 2008 zu erleben. Nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers knickte auch der DAX um knapp die Hälfte ein. Doch Konsequenzen hatte das keine - außer für die betrübten Anleger. Die Finanzkrise war eine Bankenkrise, die zur Wirtschaftskrise wurde. Der DAX hat die Krise nur gespiegelt.

Aktienkurse sind Stimmungsindikatoren. Sie bilden nur ab, wie die Investoren die künftigen Gewinne der Unternehmen einschätzen. Dabei gehen die Aktionäre allerdings sehr grobschlächtig vor. Während die Konjunktur meist milde schwankt, schießen die Kurse wild nach oben und nach unten.

Wer wirklich wissen will, wie sich die Wirtschaft demnächst entwickelt, sollte daher besser nicht auf die Börse blicken. Es gibt bessere Konjunkturindikatoren. Zum Beispiel meldete das Statistische Bundesamt am Dienstag, dass die deutschen Exporte beginnen zu schwächeln. Das ist eine Nachricht, nicht die Börse.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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