Kommentar Berliner Mieterprotest : Furcht macht keine Bewegung

5.000 "Wutmieter" auf einer Demo sind ein verlorenes Häuflein. Sie lassen sogar Zweifel aufkommen, ob die steigenden Mieten relevant für den Wahlkampf sind.

Politiker waren nicht erwünscht bei der Berliner Mieterdemonstration am Wochenende. Zumindest diese Rechnung ist aufgegangen. Einen Tag vor der Demo war bekannt geworden, dass die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften flächendeckend Mieterhöhungen verschickt hatten. Der rot-rote Senat dagegen hatte bis zuletzt behauptet, die landeseigenen Gesellschaften würden preisdämpfend wirken. Ein Offenbarungseid zwei Wochen vor dem Wahltermin.

Mehr Erfolg aber war den Initiatoren nicht vergönnt. 5.000 "Wutmieter" auf einer Demo sind eher ein verlorenes Häuflein. Ja, sie lassen sogar Zweifel aufkommen, ob die steigenden Mieten in Berlin überhaupt im lauen Wahlkampf angekommen sind.

Dabei ist auch in Berlin die Zeit eines entspannten Wohnungsmarkts passé. Wer eine neue Bleibe sucht, muss nicht selten 8 oder 9 Euro pro Quadratmeter plus Nebenkosten auf den Tisch legen. Für Berliner Gehälter wahrlich kein Pappenstiel.

Hinzu kommt die ungute Ahnung, dass das bislang nur ein Vorgeplänkel war. Weil die Mieten lange Zeit günstig waren, winken enorme Renditeerwartungen. Das ist der Boden, der die Investoren lockt. Und der viele fürchten lässt, dass die Mieten deutlich schneller steigen als die Einkommen.

Doch Furcht macht noch keine Bewegung. Erst recht, wenn die Mittelschicht bislang, anders als in Hamburg oder München, nicht um ihren Lebensstandard bangen muss.

Und: Wer ist überhaupt betroffen? Ein Drittel der Berlinerinnen und Berliner ist seit der Wende neu in die Stadt gekommen. Wen es von der Alster oder der Isar an die Spree zog, hat bestimmt nicht über hohe Mieten geschimpft.

Schließlich ist da noch die Politik. Wer als Mieter sein Kreuz machen will, hat im Grunde keine Wahl: Rot-Rot hat lange den Kopf in den Sand gesteckt. Die Grünen sind die Partei der Besserverdienenden und der energetischen Sanierung. Bleibt die Hoffnung, dass es einen nicht erwischt. Politische Mobilisierung sieht anders aus.

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Jahrgang 1963, ist Redakteur für Stadtentwicklung der taz. Weitere Schwerpunkte sind Osteuropa und Brandenburg. Zuletzt erschien bei Bebra sein Buch "Morgenland Brandenburg. Zukunft zwischen Spree und Oder". Er koordiniert auch das Onlinedossier "Geschichte im Fluss" der Bundeszentrale für politische Bildung. Uwe Rada lebt in Berlin-Pankow und in Grunow im Schlaubetal.

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