taz-Thema der Woche

Neue Partei im Berliner Abgeordnetenhaus

■ betr.: „Arm, aber Wowereit“, taz vom 19. 9. 11

Wieder einmal zeigt sich, dass die mit Abstand größte Partei die der Nichtwähler ist. Warum Herr Wowereit so selbstgefällig wirkt, ist uns ein Rätsel. Die Probleme Berlins sind doch (leider) gigantisch. Oder winkt da schon die satte Pension?

Zweifellos bringt die Piratenpartei etwas Farbe ins Geschehen. Leider macht sie keinerlei Aussagen über relevante Bereiche wie Wirtschafts- und Umweltpolitik.

Summa summarum: Weiter so auf dem sinkenden Schiff?

INGRID WALTHER,

KLAUS-G. WALTHER, Reinbek

■ betr.: „Fluch der Karibik“, taz vom 19. 9. 11

Vor allem die Werte der FDP haben mir große Freude bereitet. Obwohl die neoliberale Politik seit der Finanzkrise von 2008 tot ist, hat diese Partei den Knall immer noch nicht gehört und reagiert weiterhin mit alten Forderungen. Mehr Grün tut Berlin sicher gut. Die Stadt braucht aber eine aufmerksamere Politik für die benachteiligten Schichten statt mehr Gentrification und Privatisierungen. Und die Werte der Piratenpartei deuten auf eine lebendige Demokratie hin. In Berlin keine echte Überraschung. DAVIDE BROCCHI, Köln

■ betr.: „Der Traum ist aus“, taz vom 19. 9. 11

Zwar mag die späte Absage von Renate Künast an Schwarz-Grün in Berlin teilweise für das Absinken der Grünen von erhofften 25–30 % auf 17 % verantwortlich sein, jedoch gibt es einen weiteren Grund. Am 25. 6. haben die Grünen auf ihrem Bundesparteitag – ausgerechnet in Berlin – sich dem „Merkel’schen-Atomausstieg bis 2022“ unterworfen. Damit haben sie das Atomthema de facto abgegeben. Wer leichtfertig nach Fukushima das jahrzehntelange Hauptthema (Atomenergie) der Grünen in CDU-Hände legt und keinen früheren Ausstieg (2015 oder 2017) fordert, darf sich nicht wundern, wenn ihm scharenweise die WählerInnen zu den Piraten überlaufen.

Die Piraten sind zwar nicht die Lösung, aber im Augenblick ein Sammelbecken für unzufriedene GrünwählerInnen.

ELMAR DIEZ, Hanau

■ betr.: „Die Piraten und die Kunst der Improvisation“,taz vom 20. 9. 11

„Beherrschen die Piraten (also) ihr Instrument?“ Ja!

Alle anderen Feststellungen in Ihrem Kommentar kann ich gut nachvollziehen, Frau Kappert. In einer parlamentarischen Demokratie muss der Abgeordnete nicht Jura studiert haben, um Politiker werden zu können! Gerade am Sonntagabend hat Herr Dr. Rösler, Vorsitzender der FDP, Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, gesagt, dass nicht allein die Fachkompetenz wichtig ist. Ein Außenminister ohne Gefühl für Diplomatie kann unserem Land allerdings großen Schaden zufügen – bei einem Abgeordneten wird sich das in Grenzen halten! NORBERT VOSZ, Berlin

■ betr.: „Frauen sind überlebenswichtig“, online-taz vom 20. 9. 11

Ich finde es sehr traurig, dass die Piraten den Umstand, dass sie so wenig Frauen anziehen, offenbar nicht wirklich problematisch finden und sich nicht ganz aktiv damit beschäftigen, wie sie das ändern können. Diese alte Leier von „wir können ja keine Frau zwingen“ ist ausgelutscht. Das kennt mann und frau vom niedrigen Anteil in Führungspositionen, wo es auch immer wieder heißt, man kann ja keine Frau zwingen, einen 16-Stunden-Job haben zu wollen. Auch dort ist die Frage berechtigt: Warum wollen Frauen das nicht und ist nicht viel mehr die fiese und menschenfeindliche Arbeitskultur ursächlich für den geringen Frauenanteil? Muss man nicht Kultur ändern statt den Frauen vorzuwerfen, dass sie das nicht haben wollen? Vor der gleichen Problemstellung stehen die Pi■ raten. Gibt es etwas in der Piratenkultur, das Frauen weniger anzieht? Wenn sie eine Partei für die Bevölkerung und nicht nur für die Männer sein wollen, sollten sie sich der Frage unpolemisch und sachlich stellen und nicht einfach das Problem ignorieren oder als „nicht wichtig/nicht relevant für uns“ deklassifizieren. Probleme verschwinden nämlich nicht durch Ignoranz, sie wachsen dadurch. Und das können die Piraten nicht wollen. DARJEELING, taz.de

■ betr.: „Die Antifeministen dominieren“, taz vom 21. 9. 11

Aus dem Interview mit der Politologin Regina Frey möchte ich nachstehende Sätze zitieren und sie damit ausdrücklich hervorheben: „Und bis dahin brauche ich Geschlecht als Strukturkategorie, um zu verstehen, wo Diskriminierungen liegen und sie dann auch abzubauen“ sowie „Sie übersehen, dass Diskriminierung sehr subtil stattfindet, oft über einen bestimmten Habitus und die Auf- und Abwertung bestimmter Männlichkeits- und Weiblichkeitsmuster.“ Ich wünsche den Partei-Newcomer_innen, diese Realitäten unser Gesellschaft mögen langsam nun auch in ihrer Mitte ankommen und um vieles lebendiger und gerechter weiterwachsen als in den bereits etablierten Parteien!

Dazu möchte ich auf Auszüge aus der Partei-Satzung (aktuelle Fassung 7/2009) hinweisen: Paragraf 1 Abs.1: Satzungszwecke – u. a. „Aufbau und Ausbau eines demokratischen Rechtsstaates und einer modernen freiheitlichen Gesellschaftsordnung geprägt vom Geiste sozialer Gerechtigkeit“.

Gerechtigkeit und Freiheit für alle auf- und auszubauen kann nur durch Analysen der Ursachen für ungerechte, unfreie, unsoziale Aspekte einer Gesellschaft und gleichzeitig aktive Veränderung gelingen! Solange unsere Gesellschaft sich noch auf diesem Weg befindet, kann es keinen „Postfeminismus“ und auch nicht die Vollendung von Dekonstruktionen geben bzw. unterstellt werden!

Paragraf 1 Abs. 5: Parteiname Piraten. Ist Pirat wirklich geschlechtsneutral, fragt sich die Leser_in, die die Gender-Gap-Schreibweise als für die gegenwärtig geeignetste Bezeichnung und Inklusion aller sozialen Geschlechter und Geschlechtsidentitäten hält.

KATHY CZAJA, Düsseldorf

■ betr.: „Ohne Frauen hört der Spaß bald auf“, taz vom 21. 9. 11

So ein elender Quatsch. Die Piratenpartei wird halt überwiegend männliche Mitglieder haben. Dann ist es doch, um Himmels willen, auch okay, wenn sie überwiegend von Männern repräsentiert wird. So wünschenswert es wäre, wenn es beispielsweise in den Führungsetagen der Wirtschaft eine 50-Prozent-Frauenquote gäbe, so müssen doch nicht in jedem Bereich der Gesellschaft immer Männer und Frauen zu gleichen Teilen repräsentiert werden. Die Piratenpartei ist halt dann eine eher männliche Partei.

Mein Gott! Na und? Was hindert Frauen, die sich dort nicht wohlfühlen („Diskussionskultur“, „geschützter Raum“) eine eigene Partei nach ihren Vorstellungen zu gründen? Die Piratenpartei muss ja keine Volkspartei werden, in der sich alle widerspiegeln können.

JÜRGEN GERINGER, Berlin

■ betr.: „Ups, die sind ja gefähr-lich!“, online-taz vom 19. 9. 11

Ihr erwähnt nicht, weshalb es bei den Piraten keine Quote gibt! Das Geschlecht wird gar nicht erst erfasst! Das ist Avantgarde! Und ihr erwähnt auch nicht, dass viele Gründer der Grünen dieser Partei längst den Rücken gekehrt haben! Die Grünen heute und ihre Führungsclique sind weder öko noch anti AKW noch anti Krieg! Sie leben von dem Label, das andere für sie errungen haben – vor langer Zeit. Widerlich! Ich hoffe, die Piraten werden niemals „Realos“ HONK, taz.de

■ betr.: „Ups, die sind ja gefähr-lich!“, online-taz vom 19. 9. 11

Noch lieber als Wahlforscher, die das Resultat der Bundestagswahlen in zwei Jahren vorab kennen, sind mir nur noch Leute, die die Börsenkurse der nächsten zwei Jahre exakt kennen. Diese sogenannten Wahlforscher und Parteiexperten, Parteiforscher und wie diese Voodoo-People alle genannt werden, die jetzt zu Wort kommen, hätten vor acht Wochen der Piratenpartei noch nicht mal eine Chance attestiert. Lasst euch überraschen.

BERLINER TRULLA, taz.de

Am vergangenen Wochenende wählten die BerlinerInnen ein neues Parlament. Die SPD mit Klaus Wowereit an der Spitze gewann die Wahl und kann sich aussuchen, mit welcher Partei sie eine Koalition eingehen wird: mit den Grünen könnte es knapp werden, mit der CDU wäre eine große Koalition möglich. Auf keinen Fall aber wird es wieder eine rot-rote Koalition. Die Linke hat ihr Wahlziel nicht erreicht. Und die FDP kam auf 1,8 Prozent und schaffte es nicht ins Abgeordnetenhaus.

Die Piraten, denen schon vorab vorausgesagt worden war, dass sie über die Fünf-Prozent-Hürde kommen könnten, schossen von 0 auf 14,2 Prozent hoch. Und sie peilen für 2013 auch den Einzug in den Bundestag an. Vorher aber steht noch die Personalplanung an. Vermisst werden in der männerdominierten Partei weibliche Mitglieder. Die Diskussion dazu läuft. Die LeserInnen dürfen gespannt sein.