Kommentar Griechenlands Dilemma: Europa kann es sich leisten

Eine Insolvenz für Griechenland ist noch keine Lösung, weil damit nur vergangene Darlehen getilt werden. Athen wird noch lange Hilfe benötigen - aber wir können es uns leisten.

Griechenland ist pleite. Diese Erkenntnis ist keineswegs neu, wird aber täglich aufs Neue bestätigt. Diesmal sorgt für weltweite Aufregung, dass die griechische Regierung offiziell zugibt, was der Internationale Währungsfonds schon länger sagt: Athen wird sämtliche Sparziele verfehlen - und weitere Milliardenkredite benötigen. Der Ausdruck "Fass ohne Boden" ist nicht originell, trifft aber trotzdem auf Griechenland zu.

Es ist ein Dilemma: Griechenland verfehlt seine Sparziele, gerade weil es spart. Die Kürzungen würgen die Wirtschaft ab, so dass immer neue Milliardenlöcher im Staatshaushalt klaffen. Inzwischen ist die Krise weitaus schneller als die Politik: Momentan beraten die nationalen Parlamente in der Eurozone über das zweite Rettungspaket für Griechenland, das 109 Milliarden Euro umfassen soll. Doch noch während sich die Abgeordneten in dieses zweite Hilfspaket einarbeiten, zeigen die neuen Defizite in Athen, dass bald ein drittes Rettungspaket nötig wird. Nicht wenige Politiker und Experten sehnen sich daher nach einer "geordneten Insolvenz" für Griechenland, um das Karussell der Milliardenkredite endlich zu stoppen.

Tatsächlich dürfte eine Insolvenz - gern auch "Schuldenerlass" genannt - unumgänglich sein, denn Griechenland wird seine Kredite niemals vollständig zurückzahlen können. Trotzdem ist auch eine Insolvenz noch keine Lösung, weil damit nur vergangene Darlehen getilgt würden. Die Griechen häufen jedoch ständig neue Schulden auf, wie das jetzige Haushaltsdefizit zeigt.

Griechenland wird also noch lange Hilfe benötigen. Aber es gibt einen Trost: Europa kann es sich leisten. Denn Griechenland hat nur 11 Millionen Einwohner - und eine Wirtschaftsleistung so groß wie Hessen.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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