taz-Thema der Woche

Studiengebühren, die nicht ungerecht sind

■ betr.: „Unigebühren schrecken nicht ab“, online 10. 10. 11

Dass die Anzahl der Studienbewerber steigt, ist ja im Allgemeinen bekannt. Einen Zusammenhang zu Studiengebühren zu sehen, finde ich gewagt, besonders wenn nur nach der generellen Studienmotivation gefragt wird. Auch wenn man in einem Bundesland mit Studiengebühren wohnt, kann man sich dafür entscheiden, in einem Bundesland zu studieren, wo es keine gibt. Der Wunsch des Studierens steht nicht im Zusammenhang mit Studiengebühren und Bundeslandgrenze. Für Menschen die wenig Geld haben ist die Universitätsauswahl durch Studiengebühren eingeschränkt.

PHOELOEPP, taz.de

■ betr.: „Darf nicht sein, kann nicht sein“, online 12. 10. 11

Es ist ziemlicher Quatsch zu behaupten, weil die Studierneigung insgesamt trotz Studiengebühren nicht abgenommen hat, wäre das ein Beweis dafür, dass Studiengebühren „gerecht“ seien. Interessanter wäre doch vielmehr, ob Leute aufgrund von finanziellen Hürden nicht studieren gehen können, vorzeitig abbrechen müssen, länger brauchen und verschuldet ihr Studium abschließen bzw. Familien immensen Aufwand betreiben und Einschränkungen hinnehmen, um das Kind auf die Uni schicken zu können.

Das kann man alles für gut befinden, ist aber nicht besonders sympathisch. NAME, taz.de

■ betr.: „Gebührenstudie wird verschwiegen und heruntergeredet“, taz vom 12. 10. 11

Die Zahl der Studierwilligen geht nicht zurück, weil deutlich mehr Schüler einen Hochschulzugang erhalten, sei es über das Gymnasium oder alternative Ausbildungswege. Die doppelten Abiturjahrgänge aus Bayern und Niedersachsen, im nächsten Jahr aus Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen, füllen die Hochschulen. Ob die Studiengebühr auch wirklich bessere Bedingungen an den überfüllten Unis schafft, ist zu bezweifeln. Wenn ich in Halle, Dresden oder Berlin abgelehnt werde und dann in München einen Studienplatz erhalte, werde ich die Gebühren wohl hinnehmen müssen. Gerechtfertigt sind diese dadurch nicht. FABIAN BARTHEL, München

■ betr.: „Gebührenstudie wird verschwiegen und heruntergeredet“, taz vom 12. 10. 11

Ich kann kaum glauben, was ich heute in der taz las. Ich möchte mich zu dem letzten Satz des Textes äußern, der mich schockiert hat.

Studiengebühren als gerecht zu bezeichnen, passt in ein neoliberales Blatt, aber nicht zur taz. Über den Einfluss auf Studienneigung, die sicher durch deutlich mehr als Gebühren beeinflusst wird, lässt sich streiten. Gebühren allerdings als gerecht einzuschätzen, wohlwissend dass diese Gebühren für eine soziale Schieflage in der Gesellschaft sorgen, kann ich nicht nachvollziehen.

Jene Studierende, deren Eltern sich die Gebühren nicht leisten können, nehmen hohe Kredite auf, um die Kosten für Studium und Lebensunterhalt bewältigen zu können. Dies trifft für jene sozial benachteiligte Gruppe im Übrigen auch zu, wenn es keine Gebühren gibt. Die hohen Kosten eines Studiums können Familien aus einem Nicht-Akademiker-Haushalt kaum bewältigen. Ihre Kinder stehen, sollten Sie es an die Uni geschafft haben, unter extrem hohem Erfolgsdruck. Außerdem starten sie mit anderen Voraussetzungen ins Berufsleben als jene, die sich Gebühren und Kosten für Wohnung und Lebensunterhalt leisten können.

Die Spirale zwischen Arm und Reich wird in Deutschland immer größer, die Barrieren immer höher, und in der taz wird ohne Gegendarstellung erklärt, dass Studiengebühren gerecht wären. Viele Eltern können sich die Förderung ihrer Kinder kaum leisten. Kindergartenplätze kosten Geld, die Musikschule, selbst die Sportvereine sind oft kaum bezahlbar. Gleiche Chance für alle, ob mit oder ohne großen Geldbeutel, sollte die Losung lauten. Gebühren im Bildungssystem zu legitimieren, widerspricht dem Ideal aufgeklärter Öffentlichkeitsarbeit.

Ein solcher Artikel zeichnet ein falsches Bild von Gerechtigkeit!

STEVE KENNER, Berlin

■ betr.: „Studiengebühren schrecken nicht ab“, taz vom 11. 10. 11

Der Beitrag von Christian Füller lässt sich mich irritiert zurück. Zwei Mängel in der Argumentation fallen mir auf.

Erstens basiert die als Beleg angeführte Studie auf einer Sekundäranalyse. Denn das WZB hat sich eine bereits bestehende Befragung vorgenommen. Das kann man tun, ist aber aus meiner wissenschaftlichen Perspektive nicht ausreichend, um eine solch bedeutsame Aussage wie „Studiengebühren schrecken nicht ab“ zu begründen. Wenn ich in meiner wissenschaftlichen Tätigkeit eine Frage beantworten möchte, dann nutze ich Sekundäranalysen, um meine Fragestellung zu verfeinern, eine Hypothese zu begründen oder Ähnliches. Aber die Antwort auf die Frage will ich dann schon selbst finden.

Mangelnde Wissenschaftlichkeit sehe ich auch an einer anderen Stelle des Beitrags. Es wird behauptet, dass die Fragen an nicht studierende AbiturientInnen, warum sie nicht studierten, eine suggestive Frage wäre. Aber welche Frage sollte man ihnen denn sonst stellen?

MICHAEL DROSZ, München

■ betr.: „Studiengebühren schrecken nicht ab“, taz vom 11. 10. 11

Selten hat mich ein Bericht in der taz so wütend gemacht. Man kann mit Statistiken wirklich alles beweisen. Der Bericht liest sich so, als ob das WZB den Interviewten nur die Wahl zwischen Pest oder Cholera gelassen hätte; Studium mit Gebühren oder kein Studium. Die Studenten denken da natürlich pragmatisch an ihre Zukunft. Dass ich als nicht akademischer, kleiner Angestellter im öffentlichen Dienst 20 % meines Nettoeinkommens nur für ein kleines WG-Zimmer (der Mietspiegel ist nun mal hoch in Unistädten) und Studiengebühren für unsere Tochter aufbringen muss, wird nicht erwähnt. Da muss man sich einschränken, und die Studiengebühren machen auf einmal den Unterschied zwischen Butter und Margarine aus. Obwohl unsere Tochter nur Einsernoten heimbringt, gibt es kein Stipendium, und sie bekommt relativ wenig Bafög. Statistik ist, wenn ich eine Hand in den Ofen und die andere in die Tiefkühltruhe stecke, aber in der Mitte geht es mir gut. CHRISTOPH KROLZIG, Moos

■ betr.: „Studiengebühren schrecken nicht ab“, „Gebührenstudie wird verschwiegen und runtergeredet“, taz vom 11./12. 10. 11

Ich hätte in dieser Zeitung eine ausführliche, weniger naive und weniger sensationserheischende Einordnung des „Discussion Papers“ des WZB in die Studiengebührendebatte erwartet. Es beleuchtet einen kleinen Teilaspekt dieser Debatte aus einem neuen Winkel und hat den Anspruch die Diskussion anzuregen. Statt aber diesem Anspruch gerecht zu werden, verknüpft der taz-Autor die plakativen Aussagen der Autoren der Studie ohne jegliche nachvollziehbare Begründung sogleich mit der Suggestion zur Beibehaltung von Studiengebühren. Im Artikel wird dabei die Senkung der Studierneigung als alleinige Abschreckungswirkung zum Hauptargument gegen Studiengebühren hochstilisiert. Das WZB-Paper weist aber selbst auf eine Studie hin, die belegt, dass Studiengebühren eine, wenn auch geringe Abschreckungswirkung durch einen Wechsel des Bundeslands ausgelöst haben. Auch gibt es bei der Studierneigung Widersprüche zu einer HIS-Untersuchung von 2005, die geklärt werden müssen. Der Gipfel der unmotivierten Folgerungen ist dann die Schlussbemerkung im zweiten taz-Artikel, dass Studiengebühren auf Grund der Studie nicht ungerecht sind.

Eine sehr umfangreiche Debatte zur Gerechtigkeit von Studiengebühren wird ignoriert, siehe zum Beispiel ein Papier des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags von 2006 zur Umverteilungswirkung von Hochschulfinanzierungen. Studierende, die ihr Studium durch eigene Arbeit finanzieren, müssen mehr arbeiten und länger studieren. Für Studierende, die ihr Studium per Kredit finanzieren müssen, wird das Verschuldungsrisiko nach dem Studium erhöht und damit werden gesellschaftliche Kosten individualisiert. Es ist prinzipiell unsinnig, Studierenden, die noch kein gesichertes Einkommen haben, für ein Studium Kredite aufzunötigen. Die Wirtschaftskrise zeigt uns, dass wir mit Krediten vorsichtiger umgehen sollten. Studiengebühren sind auch eine Strafsteuer für Leute, die Kinder in die Welt gesetzt haben und ihnen ein Studium finanzieren, damit ihre Kinder später für alle die Renten mitfinanzieren können. Gerechter ist es, das Studium ausreichend staatlich zu finanzieren und nachgängig das Einkommen aus dem Studium zu besteuern.

Das „Discussion Paper“ des WZB ist keine wissenschaftliche Veröffentlichung, die wissenschaftlich geprüft worden ist, sondern eine Vorabversion, die, wie der Name sagt, Diskussion anregen soll. Die Öffentlichkeit kann noch nicht davon ausgehen, dass im Peer-Review geprüfte, wissenschaftliche Ergebnisse vorliegen. Da es um statistische Auswertungen von Umfragen geht, ist größte Vorsicht vor zu sehr generalisierenden Aussagen geboten. Die Studie zeigt nur auf, dass die ihr zur Verfügung stehenden Daten keine Senkung der Studierneigung erkennen lassen. Das ist noch kein Beweis, dass es sie nicht gibt. Vielleicht wäre die Studierneigung ohne die Einführung von Studiengebühren stärker gestiegen. Das lässt sich mit diesen Befragungen gar nicht klar beantworten. PolitikerInnen sollten mit Bewertungen der Studie sehr vorsichtig sein. Aber selbst wenn wir die Korrektheit der Schlussfolgerungen unterstellen, gibt es noch genügend andere Gründe, Studiengebühren als ungerecht zu bezeichnen. GERALD WANECKE, Magdeburg

■ betr.: „Gebührenstudie wird verschwiegen …, taz vom 12. 10. 11

Erstens verkennt Füller die Rolle von Politik: Sie muss die wissenschaftlichen Erkenntnisse mit dem Alltagsverstand bewerten und auf dem Hintergrund ihrer Programme umsetzen. Eine einzige Studie bedeutet da nicht so viel. Zum zweiten: Die Studierneigung ist noch lange nicht die Einschreibung. Und drittens: Die Studierneigung schwankt zyklisch in 20-, 30-Jahre-Zyklen der Akademikerarbeitsmärkte; wir befinden uns im Moment im Aufschwung, so dass die Abschreckungswirkung der Studiengebühren durch diese Zunahme neutralisiert sein könnte. Durch viele wissenschaftliche Studien abgesichert ist jedoch der Zusammenhang von Privatisierung im Bildungssystem und der Abschottung von gesellschaftlichen Eliten.

VOLKER MÜLLER-BENEDICT,

Göttingen

■ betr.: „Darf nicht sein, kann nicht sein“, online-taz 12. 10. 11

Ich bin einer der Glücklichen, der von seinen Eltern unterstützt werden kann und somit nicht mit horrenden Schulden aus dem Studien gehen muss. Daher denke ich, dass ich bei meiner Aussage ebenfalls kein Eigeninteresse verfolge. Zudem finde ich, dass über 200 Euro Einschreibgebühr nicht für jeden ohne Probleme zu bewältigen sind, neben einer Wohnung, die vielleicht noch finanziert werden muss, da der Wohnort der Eltern häufig nicht direkt vor Ort gelegen ist.

Zudem hat unsere Studierendenvertretung kritisiert, dass bei uns die Studiengebühren zum Stopfen von Haushaltslöchern zweckentfremdet worden seien. An Geldmangel durch wegfallende Studiengebühren werden die Unis nicht untergehen, sie taten es auch vor den Studiengebühren nicht.

MANUEL, taz.de

taz-LeserInnen sind schockiert, verärgert, irritiert.

Christian Füller stellte am vergangenen Dienstag eine Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung vor, in der keine der durchgeführten Analysen den negativen Effekt von Studiengebühren auf die Studierneigung identifiziert haben soll. „Studiengebühren schrecken nicht ab“, so lautete die Überschrift des Artikels.

Einen Tag später, am Mittwoch, wunderte sich der Autor auf der Bildungsseite: „Gebührenstudie wird verschwiegen und runtergeredet“ und fragt sich, warum die Studie in der Politik bisher keine Rolle spielt, wenn es in den Bundesländern darum geht, Studiengebühren beizubehalten oder einzuführen. Es müsse Geld beschafft werden: „In Stuttgart müssen 163 Millionen aufgetrieben werden – um Gebühren abzuschaffen, die gar nicht ungerecht sind“, lautete sein Schlusssatz.