Kommentar Ausweisungsschutz: Kein Urteil gegen Türken

Deutschland geht nach wie vor davon aus, dass man hier aufgewachsene Menschen in ein fremdes "Heimatland" ausweisen kann. Das ist der wirkliche Skandal.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) ist immer wieder für Überraschungen gut. Lange Zeit überraschte er die europäische Öffentlichkeit mit Urteilen, die Türken EU-Bürgern gleichstellte, etwa beim Schutz vor Ausweisungen. Er stützte dies auf ein Assoziationsabkommen zwischen der EU und der Türkei.

Doch jetzt, als sich die Öffentlichkeit langsam an eine weitgehende Gleichstellung von Türken und EU-Bürgern gewöhnt hat, überrascht der EuGH mit gegenläufigem Vorzeichen. Nun begründet das EU-Gericht, warum Europäer einen besseren Schutz vor Ausweisung erhalten.

Festzuhalten ist zunächst zweierlei: Das Urteil bedeutet keine Verschlechterung für Türken. Ihnen wird nur nicht der jüngste verbesserte Ausweisungsschutz für EU-Bürger zuteil. Außerdem ist das Urteil nicht türkenfeindlich. Es betont nur den besonderen Wert der Unionsbürgerschaft, die der EuGH in anderen Urteilen schon sehr weitgehend ausgelegt hat - mittelbar auch zugunsten von Ausländern.

So erhielten illegale Ausländer ein Aufenthaltsrecht, weil ihr in Belgien gezeugtes Kind automatisch eine EU-Bürgerschaft innehatte und diese nicht durch Abschiebung der Eltern entwertet werden darf. Auch das war eine Überraschung.

Der Skandal im aktuellen Fall ist also nicht das EuGH-Urteil, sondern das deutsche Ausländerrecht. Dieses geht nach wie vor davon aus, dass man hier geborene und aufgewachsene Menschen, wenn sie straffällig wurden, in ein fremdes "Heimatland" ausweisen kann. Mit anderen Worten: verbannen.

Immerhin deutet sich im konkreten Fall ein Happy End an. Weil der betroffene Deutschtürke inzwischen Drogen und Kriminalität gegen Ehe und Arbeit eingetauscht hat, dürfte der Verwaltungsgerichtshof Mannheim seine Ausweisung alsbald wieder aufheben.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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