taz-Thema der Woche

Trittin und der taz-Schweinejournalismus

■ betr.: „Was Gauck gesagt hat und was er meint“, taz, 23. 2. 12

Eine „wunderbare“ Tugend der Deutschen ist die Rechthaberei. Wer in das vorgefertigte Muster, die vorgefasste Meinung nicht hineinpasst, der ist dann ein reaktionärer Stinkstiefel.

Und dieser Stinkstiefel ist dann schon als einer abgestempelt, der in die Fußstapfen von Wulff, Herzog, Carstens und Lübke tritt, noch bevor er überhaupt eine Rede als Bundespräsident gehalten hat.

Deniz Yücels Kommentar entbehrt jeglicher historisch-wissenschaftlicher Begründung, sondern er surft auf dem Begriff „Antisemitismus“ herum, wie es ihm gerade passt.

JOHANNES SPARK, Bremen

■ betr.: „Was Gauck gesagt hat und was er meint“, taz, 23. 2. 12

Man kann Deniz Yücels Kritik an Gauck zustimmen oder nicht, auf jeden Fall ist sie begründet und legitim. Was mir als Leserin und Abonnentin noch wichtiger ist: Yücel hebt sich wohltuend von der Mehrzahl der taz-KommentatorInnen ab, die allzu oft nur lauwarme Allerweltsweisheiten von sich geben und deren Meinungsbeiträge man kaum bis zum Ende lesen kann, ohne dass einem dabei die Füße einschlafen. Yücel hingegen provoziert und regt zum Nachdenken an – auch zum Widerspruch. Außerdem hat er Humor. Eine echte Seltenheit in der taz: Er ist stilistisch brillant.

ANJA WENDING, Köln

■ betr.: „Eine Zensur findet nicht statt“, taz vom 25. 2. 12

Was Herr Trittin sich bei Maybrit Illner gegen Ihre Chefredakteurin geleistet hat, ist unter aller „Würde“, ein Begriff, den Jürgen Trittin so gerne benutzt, wenn er seine politischen Gegner attackiert. Ich habe das als Angriff auf die Pressefreiheit verstanden, den Frau Pohl allerdings nicht schlagkräftig genug gekontert hat, da sie nur auf die Meinungsfreiheit des Kommentators gepocht hat. Sie hätte dem Oberlehrer Trittin die Leviten lesen müssen und auf seine rüden und hämisch vorgestellten Fakten, die den veröffentlichten Kommentar ins „rechte“ Licht rücken wollten, auch inhaltlich eingehen sollen. So blieb für viele Zuschauer ein bitterer Beigeschmack, da „wir“ als Zuschauer nicht wussten, welche Behauptung des Kommentators „fragwürdig“ waren. THEO KREUTZMANN, Haren-Rütenbrock

■ betr.: „Was Gauck gesagt hat und was er meint“, taz vom 23. 2. 12

Es trifft nicht den Kern des Problems, wenn Deniz Yücel Joachim Gauck mit dessen Äußerungen zum Holocaust vorzuführen versucht. Alleine schon die Weisheit eines solchen Gesetzes, wie es in Frankreich kürzlich gegen Leugner von Völkermorden erlassen wurde, beweist, dass eine Singularität des Völkermords der Deutschen im 20. Jahrhundert nicht besteht, denn neben den Armeniern in der heutigen Türkei war auch die Bevölkerung Kambodschas unter Pol Pot davon betroffen. Und unter Stalin wurden Andersdenkende auch nach ethnischen Kriterien eliminiert. Wenn Gauck heute heiße Eisen anstößt, so macht ihn das nicht anrüchig. Verdächtig macht sich dagegen jeder, welcher die Moralkeule des Holocaust zu niederen Zwecken zu missbrauchen sucht. MICHAEL HEINEN-ANDERS, Köln

■ betr.: „Eine Zensur findet nicht statt“, taz vom 25. 2. 12

Es löst in mir Bestürzung aus, zu hören, wie sich Jürgen Trittin gegenüber der taz geäußert hat. Abgesehen von seiner äußerst dürftigen Argumentation in der Sache hat Herr Trittin auf unsägliche Art und Weise versucht, Sie unter Druck zu setzen. Bei Ihnen, Frau Pohl, möchte ich mich für Ihre klare Reaktion bedanken. Sie sind bei der Sache geblieben, haben in Ruhe Ihre Argumente vorgetragen und haben sich nicht provozieren lassen. Das war eine Glanzleistung, erste Sahne! In der taz wurde in den vergangenen Tagen erfreulicherweise über Herrn Gauck gestritten – eine Debatte, die absolut notwendig ist und wieder einmal zeigt, dass die taz zu wahrhaft kritischem Journalismus in der Lage ist. Vielen Dank dafür, das ist Spitzenjournalismus. MICHAEL DROSS, München

■ betr.: „Eine Zensur findet nicht statt“, taz vom 25. 2. 12

So bizarr das Bündnis des marktradikalen Gauck mit den Grünen ist, so naheliegend. Hier ein aus der Zeit gefallener Herr – dort eine endgültig aus der linken Bewegung purzelnde Partei. Glückwunsch, taz, für die Dienstagausgabe!

Erleichterung, dass nicht in die mediale Lobhudelei eingestimmt, sondern kritische Stimmen dokumentiert wurden. Super Titelseite!

Die vielfach geschmähte Polemik von Deniz Yücel fand ich eine angemessene Reaktion auf das allgemeine Gesülze. Meine Sehnsucht nach klaren, drastischen Worten wächst im gesellschaftlichen Klima der Verschleierung. (Ich höre den Wahlkampfslogan vergangener Jahrzehnte „Freiheit statt Sozialismus“.) Gauck – Protagonist eines taktischen Manövers – wird auf das Podest gehoben als ehrenwerter Kämpfer für die Freiheit.

Ich stimme Stefan Reineke in der Schlussfolgerung zu: Gauck-Urheber Trittin kriegt wohl langsam Muffensausen angesichts der Kritik aus der Szene. Wir lassen uns nicht für dumm verkaufen, sagt IRIS BÜHRMANN

■ betr.: „Eine Zensur findet nicht statt“, taz.de vom 24. 2. 12

Erstens hat keiner Zensur gefordert. Die Strategie der obigen Schlagzeile, scharfe Erwiderungen zum Zensurversuch umzudeuten, kenne ich eher von rechten Spinnern.

Zweitens stimmt es nun gar nicht, dass sich andere Medien nicht intensiv mit der Pro/Kontra-Debatte beschäftigen und dabei auch Gauck-Gegner zu Wort kommen. Dass dies in der taz besonders explizit geschieht, ist lobenswert, steht aber in keinem Zusammenhang zum Thema: der (mangelnden) Qualität der Beiträge von Herrn Yücel. Was das betrifft, kann ich mich dem Urteil Schweinejournalismus auf Bild-Niveau vorbehaltlos anschließen. Die Polemik war nicht nur überzogen, sondern verleumderisch und voller Unwahrheiten. Die Replik auf die Kritik war ein intellektuelles Armutszeugnis (keine Ahnung vom akademischen Shoa-Diskurs, auf den Gauck sich bezog).

Also, einfach mal einzugestehen, dass er zu weit gegangen ist und Mist gebaut hat, stünde Herrn Yücel ganz gut an. HESSEBUB, taz.de

■ betr.: „Was Gauck gesagt hat und was er meint“, taz vom 23. 2. 12

Deniz Yücel, feingeistiger Schreiber der taz, lässt nicht locker. Er wirft Joachim Gauck vor, dieser verharmlose den Holocaust. Als Beleg für diese These zitiert er Gauck so: „Unübersehbar gibt es eine Tendenz der Entweltlichung des Holocausts. Das geschieht dann, wenn das Geschehen des Judenmordes in eine Einzigartigkeit überhöht wird, die letztlich dem Verstehen und der Analyse entzogen ist.“ Mit dem Begriff der „Überhöhung“, so Yücel weiter in seinem Beitrag, trage Gauck dazu bei, dem Holocaust die Singularität abzusprechen.

Die Aussagen Gaucks stammen aus einem Vortrag, den er im Jahre 2006 im Rahmen der Vortragsreihe „Europa bauen, den Wandel gestalten“ der Robert-Bosch-Stiftung hielt. Und wenn Yücel sich Zeit genommen hätte, den Vortrag genauer zu lesen, dann hätte er weiter unten erkennen können, dass Gauck in seiner Rede dazu aufruft, den Holocaust „als Problem dieser Gesellschaft, Zivilisation und Kultur“ zu betrachten. Dies nicht zu erkennen, den Holocaust „aus dem historischen Gedächtnis zu verdrängen oder aber entlastende Erklärungsmuster zu akzeptieren“, bedeute die Gefahr einer „potentiell suizidalen Blindheit“, wobei Gauck sich an dieser Stelle auf den polnischen Soziologen Zygmunt Baumann bezieht. „Die Schrecknisse des Holocaust“, so Gauck weiter, sind „das andere Gesicht der Zivilisation“. Verharmlosung des Holocausts also, Herr Yücel? Ihr Vorwurf ist wohl eher der schäbige Versuch, den millionenfachen Mord an den europäischen Juden als Vehikel für Ihre unsäglichen Attacken gegen Joachim Gauck zu verwenden. WILHELM KÄCHELE, Ehingen

■ betr.: „Eine Zensur findet nicht statt“, taz.de vom 24. 2. 12

Trittin scheut vor keiner Verbalinjurie zurück, wenn’s ihn der Macht näher bringen könnte. Dies allein war seine Motivation, als er damals Gauck gegen Wulff ins Spiel brachte. Ihm ist Gauck an sich so egal wie Wulff. Er hoffte über seine Hasstiraden, wie schon zuvor gegen den damaligen Bundespräsidenten Köhler, die Regierung Merkel zu beschädigen oder für Grün aufnahmebereit zu machen. Das ist ihm nicht gelungen. Im Gegenteil. Daher kommt seine Wut.

Bei der Talkrunde „Maybrit Illner“ turnte er auf seinem Stuhl herum, verzog das Gesicht, verdrehte seine Augen gen Himmel und er schrie wie Rumpelstilzchen, als es erfuhr, dass man seinen wahren Namen herausgefunden hatte. Trittin ginge mit jedem/jeder ins Bett, wenn sie seine Machtsucht zu befriedigen in der Lage wäre. Und wenn dies Daniela Katzenberger wäre. BOTHO JUNG, taz.de

■ betr.: „Eine Zensur findet nicht statt“, taz.de, 24. 2. 12

Seit langer, langer Zeit empfinde ich wieder etwas Respekt für die taz. Wäre aber schön, wenn sie diesen Meinungspluralismus bei anderen Themen genauso hochhalten würde (anders als sie es beim Libyenkrieg getan hat).

Ansonsten ist die dummdeutsche Empörung darüber, dass Yücel es gewagt hat, der Volksgemeinschaft polemisch und zugespitzt in ihre Konsenssuppe zu spucken, die deutlichste Bestätigung dafür, dass er damit offensichtlich einen Nerv getroffen hat. JAN B., taz.de

■ betr.: „Eine Zensur findet nicht statt“, taz.de, 24. 2. 12

Man kann Joachim Gauck beim besten Willen nicht unterstellen, dass er gezielt den Holocaust verharmlosen will. Über seinen totalitarismustheoretischen Quatsch einerseits, über die von Yücel zitierten Passagen andererseits macht er das aber trotzdem. Das kann Trittin passen oder nicht, weniger stichhaltig wird die Argumentation nicht. Dass es ihm sauer aufstößt, dass sich herausstellt, dass „sein“ Kandidat nicht die messiasgleiche Lichtgestalt ist, als die er sonst so gerne bezeichnet wurde, ist auch klar. BERND, taz.de

■ betr.: „Eine Zensur findet nicht statt“, taz.de vom 24. 2. 12

Das Ganze wäre überhaupt erst eine Diskussion mit Trittin wert, wenn die Grünen aufhören, ihre verlogene Schweinepolitik zu betreiben. Zwei wesentliche Punkte hat man gemeinhin von der grünen Partei angenommen, bis sie in der Regierung waren: 1. Atomausstieg (generell ökologische Politik), 2. Pazifismus. Als sie dann an der Regierung waren, haben sie den AKWs erst mal noch weitere 30 Jahre gegönnt, wobei völlig klar war, dass eine folgende konservative Regierung dies verlängern wird. Letztendlich hat die CDU den Atomausstieg besiegelt, nicht die Grünen! Außerdem haben die den ersten deutschen Krieg seit dem Zweiten Weltkrieg angezettelt und sind unter herbeigelogenen Gründen in das Kosovo einmarschiert. Dazu kommen noch Arbeitslosenschikanierung und andere „Kleinigkeiten“, für die man ja die CDU wählt, wenn man so etwas haben will. Also liebe grüne Chefetage: Hört mit eurer verlogenen Schweinepolitik auf, dann könnt ihr meinetwegen auch gegen die Medien ausfallend werden, wenn euch was nicht passt. REDHEAD, taz.de

Zwei Artikel von Deniz Yücel in der vergangenen Woche zur Kandidatur von Joachim Gauck als Bundespräsident „Ein Stinkstiefel aus der Zone“ (www.taz.de/Kolumne-Besser/!88071/) und „Was Gauck gesagt hat und was er meint“ (www.taz.de/Kommentar-Gauck/!88277/) wurden von den LeserInnen der taz in den online-Kommentaren heftig diskutiert. Und auch die LeserInnenbriefredaktion erhielt sowohl zustimmende als auch kritisierende Zuschriften. Die beiden Artikel nahm auch Jürgen Trittin, grüner Fraktionschef, am vergangenen Donnerstag in der Sendung des ZDF „Maybrit Illner“ zum Anlass, der taz „Schweinejournalismus“, vorzuwerfen. „Eine Zensur findet nicht statt“, kommentierte am Sonnabend Stefan Reinecke in der taz (www.taz.de/Trittin-beschimpft-taz/!88405/). Auch dieser Beitrag fand bei unseren LeserInnen heftige Resonanz.