HEIKE HAARHOFF ÜBER DAS GEPLANTE GESETZ ZUR ORGANSPENDE
: Zentrale Fragen ausgeblendet

Wollen wir, dass weiterhin Expertencliquen bestimmen dürfen, wer lebt und wer stirbt?

Am Ende ist die Neuregelung der Organspende also doch eine große Harmonieveranstaltung: Es gibt tatsächlich einen gemeinschaftlichen Gesetzentwurf von CDU, CSU, FDP, SPD, Linken und Grünen, und dies zu einem der sensibelsten Themen überhaupt: wie mit dem eigenen Körper nach dem Tod verfahren wird.

Künftig sollen sich Bürgerinnen und Bürger mindestens alle fünf Jahre aktiv mit der Frage auseinandersetzen, ob sie bereit sind zur Organspende. Und wenn das ganze Parlament der Meinung wäre, dass dies der richtige Umgang mit der Organspende ist: Kann das Volk überhaupt anders, als bitte schön zu Lebzeiten eine klare Entscheidung zu treffen?

Es kann nicht nur, es wird auch. Der Grund, weswegen viele Menschen sich der Befragungsaktion verweigern dürften: So begrüßenswert es ist, mehr Menschen für die Organspende begeistern zu wollen, um das Leben schwerstkranker Patienten zu verlängern – man gewinnt diese Menschen nicht, indem man die zentralen Fragen im Zusammenhang mit der Organspende ausblendet. Genau das aber tut das geplante Gesetz. Ist das Hirntodkonzept noch zu halten? Ist es hinzunehmen, dass nichtstaatliche Vereine und Stiftungen nach kaum zu kontrollierenden Regeln darüber entscheiden, wie die knappen Organe akquiriert und verteilt werden? Im Klartext: Wollen wir, dass weiterhin Expertencliquen bestimmen dürfen, wer lebt und wer stirbt?

Eine Studie im Auftrag der Deutschen Stiftung Organtransplantation hat herausgefunden, dass die wachsende Nachfrage nach Spenderorganen selbst dann nicht annähernd befriedigt werden könnte, wenn sämtliche Organe aller Hirntoten in Deutschland entnommen werden dürften. Aber auch darüber redet in der großen parlamentarischen Harmonie niemand. Schade eigentlich.

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