DIE STIMMEN DER ANDEREN
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■ Mannheimer Morgen (Kurpfalz)

Großflughafen und Großsprecher: Wowereits Pleite

Jetzt also Wowereits zerknirschtes „Sorry“. Aber das war es wohl auch schon. Kein Wort verliert er darüber, ob nicht auch er die Verantwortung für das Missmanagement trägt. Nein, die Berliner haben längst eine bessere politische Führung verdient. Eine, die nicht ebenso schnoddrig wie großspurig auftritt und dann vor den Schneehaufen im Winter kläglich versagt. Die sich keine Panne nach der anderen bei der S-Bahn leistet. Und die nicht im Schuldensumpf versinkt, obwohl allein Berlin die Hälfte des gesamten Länderfinanzausgleichs kassiert. Doch Demut steht nicht im Wörterbuch des Regierenden Bürgermeisters. Und Trost findet er ja immer in der nächsten Party um die Ecke.

■ Märkische Oderzeitung (Brandenburg)

Unverantwortlicher Druck

Unverantwortlich war es, auf das Projekt einen solchen politischen Druck auszuüben, dass sich Fehler häufen mussten und Unfertiges so lange versteckt wurde, bis es nicht mehr ging. Klaus Wowereit ist zu Unrecht stolz auf diesen Druck. Zuständig für die Kontrolle des Projektes ist der Aufsichtsrat. In dem sitzen die Herren Wowereit und Platzeck. Der Bund ist natürlich auch vertreten und sogar Ver.di ist dabei. Die allgemeine Ausrede lautet nun: Die Fachleute hätten die Wahrheit verschwiegen. Das ist ein bisschen so, als ob Eltern nicht dafür verantwortlich sind, wenn ihr Sprössling das Klassenziel nicht erreicht hat. Schließlich habe das schulpflichtige Kind die schlechten Noten verschwiegen. Es waren die verschiedenen Regierungspolitiker Brandenburgs und Berlins, die den BER durchgesetzt haben. Jetzt sind sie für seine Inbetriebnahme zuständig.

■ Der Tagespiegel (Berlin West)

Nur eine Party verschoben

Wenn man sich für einen Moment entfernt von der Absturzstelle, zeitlich und örtlich, bekommt das Desaster eine etwas andere Dimension. 20 Jahre wurde geplant und gebaut, für die kommenden 50 Jahre, Milliarden haben die Gesellschafter investiert – da erscheinen die Extrawochen und Extramillionen irgendwann zwangsläufig als Anekdote: Ach ja, der Tag, als die Partyhauptstadt ihre größte Party absagte. Es ist kein Trost für diesen Tag, aber der Flughafen selbst, modern und schön, wie er ist, wird schon bald größer und wichtiger sein als seine verpatzte Eröffnung.

■ Neues Deutschland (Berlin Ost)

Nicht kleinlich werden

Natürlich ist so eine millionenschwere Panne eine Sternstunde der Kritiker. Bundesgrüne gifteln: „Regierender Bruchpilot“ kann nur feiern. In der eigenen Zuständigkeit lassen sie aber den Bund als Mitverantwortlichen draußen. Sie haben ja mit Wowereit eine verpatzte Berliner Wahl und geplatzte Senatsbeteiligung als Rechnung offen. Kleinliche Abrechnungen und Sprachakrobatik zur eigenen Erbauung helfen in der Sache nicht weiter. Als künstlicher Fluglärm übertönen sie nur die wichtigen Fragen: Wie wird der Schaden begrenzt, und wie bekommt BER wieder Aufwind? Die Antworten darauf sollten bei aller Häme wenigsten zu hören bleiben.

■ Süddeutsche Zeitung (Zamdorf)

Deutsche lernen Demut

Die eigentliche Blamage ist der späte Zeitpunkt der Bekanntgabe: Erst gut drei Wochen vor dem Start soll klar sein, dass ein seit Monaten geplanter Termin nicht zu halten ist? Genauso gut könnte man Passagieren auf der Rollbahn mitteilen, dass ihr Flugzeug leider nicht abheben wird. Das wirft ein sehr schlechtes Licht auf die Manager des Flughafens, aber auch auf ihre Kontrolleure – inklusive der beiden verdatterten Landeschefs Klaus Wowereit und Matthias Platzeck. Beide sitzen im Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft, haben aber nach eigenem Bekunden ebenfalls gerade erst vom stornierten Abflug erfahren. Dabei gab es schon seit Wochen Anhaltspunkte für Verzögerungen. […] Doch vielleicht lehrt dieses Beispiel zumindest mehr Demut vor Großprojekten, auch vor solchen im Ausland. Wo vor Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen auf die letzte Minute Stadien und Straßen errichtet wurden, fieberten hierzulande stets viele mit, nicht ohne eine gewisse Schadenfreude. Künftig reicht eine kurze Entgegnung: „Berlin, Flughafen Willy Brandt.“